Das nette Gesicht der Künstlichen Intelligenz. Ein Roboter spielt mit Kindern im Kindergarten. Das aber ist nur eine Seite der Medaille. Foto: dpa/Uli Deck

Die EU will die Rahmenbedingungen für den KI-Einsatz gesetzlich festlegen, ohne dabei wichtige Innovationen abzuwürgen. Zum Problem wird nicht nur die rasante technische Entwicklung.

Künstliche Intelligenz (KI) gehört zu den großen Zukunftsverheißungen unseres digitalen Zeitalters. Selbstlernende Computerprogramme sollen Abläufe in Fabriken effizienter gestalten, dem Arzt helfen, Krankheiten besser zu erkennen, oder eines Tages selbstfahrende Autos durch den dichten Verkehr steuern. Die Technik hat aber auch sehr hässliche Seiten. Sie kann zur lückenlosen Überwachung der Bürger eingesetzt werden oder Demokratien zerstören, indem sie politische Lügenkampagnen kreiert.

Die negativen Auswüchse einzudämmen, ist Ziel der Europäischen Union. Im Straßburger Europaparlament wird am Mittwoch darüber abgestimmt, wie der Weg dahin aussehen soll. Diskutiert wird ein Vorschlag der EU-Kommission. Einverstanden sind die Abgeordneten damit, bei der geplanten Gesetzgebung einen risikobasierten Ansatz zu verfolgen, der sicherstellen soll, dass KI-basierte Systeme keine negativen Folgen für die Sicherheit und Grundrechte der Menschen haben. Das bedeutet, dass die jeweiligen gesetzlichen Auflagen vom Risikopotenzial der Anwendung abhängen sollen.

Risikoreiche Systeme werden komplett verboten

Risikoreiche Systeme, die für die EU nicht akzeptabel sind, sollen demnach komplett verboten werden. Darunter fallen sprechende Spielzeuge, die Kinder zu einem gefährlichen Verhalten verleiten könnten, oder das sogenannte Social Scoring, mit welchem die Kreditwürdigkeit von Personen durch Internetdaten beurteilt werden könnte. Hochrisikosysteme, wie zum Beispiel im Transportwesen, sollen bestimmten Regeln unterliegen. KI-Systeme, die als risikoarm eingestuft werden, sollen keine Auflagen bekommen. Chatbots wie ChatGPT werden von der EU derzeit als begrenzt risikoreich eingeordnet. Damit unterliegen diese KI-Anwendungen einer minimalen Transparenzpflicht, die es den Anwendern ermöglichen soll, selbst zu entscheiden, diese zu nutzen oder nicht.

Herrscht im Grundsatz also Einigkeit, wird in einigen Teilbereichen noch zäh gerungen. So wollen die EU-Abgeordneten die biometrische Echtzeitüberwachung mit Gesichtserkennung verbieten. Doch will vor allem die konservative EVP etwa im Rahmen der Verbrechensbekämpfung eine nachträgliche Auswertung der Daten erlauben. Sie will mit einem Änderungsantrag mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden durchsetzen.

Kritik kommt von vielen Unternehmen

Harsche Kritik an den geplanten KI-Regelungen kommt aus der Wirtschaft, vor allem von kleinen und mittleren Unternehmen. Zu deren Fürsprecherin hat sich Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut gemacht. „Europa kann seinen Rückstand bei der Zukunftstechnologie KI nur aufholen, wenn wir den Erfindergeist fördern und Bürokratie abbauen. Leider sieht es so aus, als verfolge Brüssel hier den gegenteiligen Ansatz“, sagt sie. Die Ministerin beklagt, dass die Regulierungen die Firmen zu viel Zeit und Geld kosten würden, „beides fehlt ihnen dann für echte Innovationen“, und sie warnt vor der „Abwanderung von Unternehmen, Talenten und Investoren“.

Doch nicht nur die europäischen Unternehmen blicken mit Spannung auf Brüssel. Auch bei den US-Internet-Giganten wird sehr genau beobachtet, dass in Europa im Moment an der rechtlichen Regulierung der KI-Systeme gearbeitet wird. So wird etwa Googles Chatbot Bard zwar auf Deutsch, aber zunächst weder in Deutschland noch in der Europäischen Union verfügbar sein. Offensichtlich versucht der US-Konzern zunächst zu klären, ob Bard kompatibel mit dem rechtlichen Rahmen in der Europäischen Union ist.

Die EU als Vorreiter in der Welt

Die EU wäre der erste Wirtschaftsraum weltweit, der Vorschriften für die Künstliche Intelligenz erlässt. Da sich die Umsetzung allerdings noch Jahre hinziehen wird und die technische Entwicklung rasend verläuft, diskutieren die EU und die USA bereits über einen freiwilligen KI-Verhaltenskodex. Parallel plant der britische Premierminister Rishi Sunak einen großen KI-Gipfel im Herbst, auf dem die Risiken diskutiert werden sollen. Sein Technologieberater Matt Clifford hatte kürzlich mit Nachdruck vor tödlichen Gefahren durch KI gewarnt. Auch führende Experten betonen, Künstliche Intelligenz sei eine potenzielle Bedrohung für die Menschheit und müsse eine globale Priorität neben anderen Risiken gesellschaftlichen Ausmaßes wie Pandemien und Atomkrieg bekommen.

Eine hoffnungsfrohere Botschaft in Sachen KI sendet allerdings Paul McCartney an die Welt. Er hat am Dienstag einen mithilfe von Künstlicher Intelligenz produzierten „letzten“ Beatles-Song angekündigt. Dank der KI sei darin die Stimme des bereits 1980 verstorbenen Ex-Beatles John Lennon zu hören. Als Grundlage habe ein altes Demotape mit Lennons Gesang gedient.