Eva Kaili bei einer Rede als Vizepräsidentin des EU-Parlaments Foto: AFP/ERIC VIDAL

Das EU-Parlament hat am Dienstag seine Vizepräsidentin Eva Kaili wegen Korruptionsverdachts abgesetzt. Wer ist diese Frau? Wer ist noch in den Fall verstrickt? Und wie reagiert die Regierung in Katar?

Nach der Festnahme der Vizepräsidentin des EU-Parlaments wegen Korruptionsvorwürfen wächst die Sorge im Abgeordnetenhaus, dass sich der Skandal ausweiten könnte. Abgeordnete und Mitarbeiter sind schockiert angesichts der Festnahmen und Razzien in Brüssel. Sie befürchten, dass nun weitere Fälle ans Licht kommen. EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola wertet die mutmaßliche Bestechung ihrer Vertreterin Eva Kaili als Angriff auf die europäische Demokratie. Ein Überblick:

Wer ist Eva Kaili?

Eva Kaili galt als eine der großen Hoffnungen im Brüsseler Politik-Betrieb. Nach einer steilen Karriere in ihrer Heimat Griechenland machte sie sich auch in der EU schnell als erfolgreiche Strippenzieherin einen Namen.

Mit nur 26 Jahren wurde die studierte Architektin in den Stadtrat ihrer Geburtsstadt Thessaloniki gewählt. Zuvor hatte sie schon als Moderatorin beim quotenstarken Privatsender Mega TV auf sich aufmerksam gemacht. Schnell wurde man bei der sozialistischen Partei Pasok auf Kaili aufmerksam. 2007 wurde sie im Alter von 29 Jahren erstmals für Pasok ins Nationalparlament von Athen gewählt. Nebenbei schloss sie ein Master-Studium in Internationalen und Europäischen Beziehungen ab.

2014 zog Kaili ins Europarlament ein. Vor einem Jahr wurde sie zu einer der 14 Stellvertreterinnen und Stellvertreter von EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola. Privat ist Kaili mit einem italienischen Politik-Berater liiert, der ebenfalls von der Polizei festgenommen wurde. Kaili selbst ließ über ihren Anwalt am Dienstag ihre Unschuld beteuern. „Ihre Position ist, dass sie unschuldig ist. Sie hat nichts mit Geldflüssen aus Katar zu tun, überhaupt nichts“, sagte Michalis Dimitrakopoulos dem griechischen Fernsehsender Open.

Die Rolle von Roberta Metsola

Parlamentspräsidentin Roberta Metsola entwickelte sich im Skandal um Eva Kaili schnell zur Frontfrau im Kampf gegen die Korruption in ihrem Haus. Kaum waren die Ermittlungen gegen ihre Stellvertreterin bekannt geworden, entzog sie ihr alle Kompetenzen. Metsola berief sofort eine sogenannte Konferenz der Präsidenten ein, an der alle Vorsitzenden der Fraktionen im Europaparlament teilnahmen. Das Ziel: die Absetzung von Eva Kaili als Parlamentsvize. Im Parlament sprach Metsola am Montag angesichts des Skandals sichtlich empört über ihre Wut. Sie betonte, das Europäische Parlament werde „angegriffen, die europäische Demokratie wird angegriffen, und unsere Art der offenen, freien, demokratischen Gesellschaften wird angegriffen.“ Dass die 43-Jährige eine Frau der mutigen Tat ist, bewies sie Anfang des Jahres. Als erste hohe Repräsentantin der EU reiste sie im Krieg nach Kiew und sagte der Ukraine Hilfe zu.

Was hat Eva Kaili getan?

In den Mitteilungen der Ermittler fällt nie der Name Katar. Öffentlich machten die Beamten aber, dass ein Golfstaat mit viel Geld und teuren Geschenken „die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen des Europäischen Parlaments zu beeinflussen“ suchte. Mit der Festnahme von Eva Kaili wird allerdings schnell deutlich, dass es sich nur um Katar handeln kann.

Die EU-Politikerin war Teil einer Delegation, die die Beziehungen zu dem Emirat ausbauen wollte. Kurz vor Beginn der Fußball-WM reiste sie nach Katar und lobte danach das Land in den höchsten Tönen. Es habe sich ein „historischer Wandel“ in dem Land vollzogen, der „die arabische Welt inspiriert“ habe. Ungewöhnlich auch, dass sie im Dezember an einer Abstimmung über erleichterte Visa-Regeln für Katar teilnahm – obwohl sie selbst kein Mitglied im entsprechenden Ausschuss ist. Das erstaunte zwar einige Abgeordnete, erregte damals allerdings keinen Verdacht. Nach Parlamentsregeln ist es möglich, dass Abgeordnete bei Abstimmungen auch durch Nichtmitglieder ersetzt werden.

Wer wird noch beschuldigt?

In diesem Korruptionsfall führen sehr viele Wege nach Rom, denn viele Verdächtige sind italienische Staatsbürger. Mit verstrickt ist der Lebensgefährte von Eva Kaili. Francesco Giorgio ist ehemaliger parlamentarischer Assistent und Spezialist für Menschenrechtsfragen. Die beiden haben eine kleine Tochter.

Im Mittelpunkt der Ermittlungen steht allerdings Antonio Panzeri. Der 67-Jährige saß für die Sozialdemokraten lange Jahre im Europaparlament, war Gewerkschafter und gründete dann eine Nichtregierungsorganisation zum Kampf für Menschenrechte mit dem wohlklingenden Namen Fight Impunity. Auch dessen Frau und seine Tochter – letztere eine Anwältin unter anderem für Europarecht – wurden festgenommen und unter Hausarrest gestellt. Ihnen wird Begünstigung vorgeworfen.

Auf die Schliche kamen die Ermittler den mutmaßlichen Tätern über abgehörte Telefonate. So soll Panzeris Frau ihrem Mann in einem Gespräch gesagt haben: „Wir dürfen nicht wieder 100 000 Euro für den Urlaub ausgeben wie letztes Jahr.“ Sie sprach dabei von „zwielichtigen Machenschaften“. Durchsucht wurde inzwischen auch das Haus eines weiteren Europa-Abgeordneten. Der belgische Sozialdemokrat Marc Tarabella weist aber alle Verstrickungen in den Skandal weit von sich. Seine Partei teilte mit, sie habe Tarabella vor ein parteiinternes Gremium zitiert.

Die Reaktion aus Katar

Die Reaktion aus Katar zu den Korruptionsvorwürfen ist kurz und trocken: „Jede Verbindung der katarischen Regierung mit den berichteten Vorwürfen ist grundlos und gravierend uninformiert“, heißt es aus dem Außenministerium in Doha. Weiter wird versichert, das Land handle nur nach den international gültigen Regeln und Gesetzen.

Dieselben Aussagen sind auch in den vergangenen Jahren immer wieder gefallen, wenn es im Rahmen der Fußball-WM um Korruption, die Menschenrechte oder auch die Situation der ausländischen Arbeiter an den Stadien in dem Emirat ging. Katar bestritt auch dann noch jede Form der Bestechung, als bereits erste Mitglieder des damaligen FIFA-Exekutivkomitees, das 2010 die WM in die Wüste vergeben hatte, der Korruption überführt wurden.

Auch Eva Kaili stand fest an der Seite des Emirats. Das Land habe sich der Welt geöffnet, erklärte die nun geschasste EU-Politikerin und kritisierte bei ihrer Rede im November vor dem Parlament: „Dennoch rufen einige hier dazu auf, sie (die Katarer) zu diskriminieren. Sie schikanieren sie und beschuldigen jeden, der mit ihnen spricht, der Korruption.“

Wie reagiert das Parlament?

Die Fraktionsvorsitzenden im Europaparlament haben sich einstimmig dafür ausgesprochen, die unter Korruptionsverdacht stehende Eva Kaili als Vizepräsidentin abzusetzen. Das Parlament stimmte dieser Entscheidung zu. Der Linken-Vorsitzende Martin Schirdewan brachte am Dienstag die Frustration der Abgeordneten zum Ausdruck. „Da Eva Kaili nicht den Anstand besessen hat, von sich aus zurückzutreten, haben die Fraktionsvorsitzenden handeln müssen“, sagte er.

Die Forderung der meisten Abgeordneten ist die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, auch wollen die Politiker die Transparenzregeln des Parlaments verschärfen. Zudem wird es eine mögliche Visa-Erleichterung für Katar so bald nicht geben. Zwar hatte der zuständige Ausschuss Anfang Dezember dafür gestimmt, jedoch verwies das Plenum angesichts der jüngsten Enthüllungen das Dossier am Montag zurück an das Gremium. Möglich ist, dass der Skandal aber noch weitere Kreise zieht. Belgische Fahnder haben am Montag mehrere Räumlichkeiten des Parlamentsgebäudes in Brüssel durchsucht. Dabei sollten Daten elektronischer Geräte aus den Büros von zehn Abgeordneten sichergestellt werden, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte.

Der Spott des Victor Orban

Für große Schadenfreude sorgte der Korruptionsskandal bei Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban. Über Twitter verspottete er das Parlament. Auch Orbans Parteifreund, der Europa-Abgeordnete Balazs Hidveghi, schrieb dazu auf Twitter: „Ein gutes Beispiel für Heuchelei.“

Die Seitenhiebe aus Budapest kommen zu einem Zeitpunkt, zu dem Ungarn im Streit mit der EU-Kommission um Rechtsstaats-Probleme und Reformen zur Korruptionsbekämpfung der Entzug von insgesamt mehr als 13 Milliarden Euro droht.

Das EU-Parlament fordert die Kommission regelmäßig auf, gegenüber Ungarn eine harte Linie zu vertreten. Möglicherweise hat der Spott aus Budapest nun das Fass zum Überlaufen gebracht. Die EU-Staaten einigten sich am Dienstag darauf, Ungarn mehrere Milliarden Subventionen nicht auszuzahlen.