Auch ein Strand auf dem nicht genutzten Dach eines Parkhauses – hier in Stuttgart – kann Innenstädte attraktiver machen und Besucher anlocken. Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Pop-up-Läden, ein virtueller Biergarten oder ein Stadtstrand: Innenstädte müssen heute mit Erlebnissen statt nur Handel locken. Bürger, Gastronomen und Händler sollen nun herausfinden, wie Waiblingen attraktiv bleibt.

Warenhäuser, sagt Jens Nußbaum, seien ein Relikt vergangener Zeiten. „Ein Warenhaus hat von allem ein bisschen etwas: ein bisschen Beratung, ein bisschen Günstiges – aber dieses Konzept funktioniert heute nicht mehr.“ Gleiches gelte für eine Innenstadt, die von allem ein bisschen biete, sagt der Mann vom Planungsbüro Stadt+Handel aus Dortmund. Er rät deshalb zu dieser Strategie: „Man sollte sich auf bestimmte Zielgruppen fokussieren.“

Welche Gruppen das sind, will Jens Nußbaum im Auftrag der Stadt Waiblingen und deren Gesellschaft für Wirtschaft, Tourismus und Marketing (WTM) sowie mit der Hilfe lokaler Protagonisten in den kommenden Wochen herausfinden – und dann Strategien für eine zukunftsfähige Waiblinger Innenstadt erarbeiten. „Wir wollen, dass dabei kein Konzept, sondern ein Prozess entsteht“, so beschreibt der Waiblinger Oberbürgermeister Sebastian Wolf das Ziel. Die Stadt werde ihren Teil dazu beitragen, aber auch Händler, Immobilieneigentümer, Anwohner und Gastronomen seien gefragt.

Mitarbeit statt Wünsch-dir-was-Konzept

Deshalb hat die Verwaltung bei einer Auftaktveranstaltung mit gut 100 Teilnehmenden dafür geworben, dass sich Menschen als „Stadtgestalter“ einbringen. Jens Nußbaum formuliert es so: „Die Innenstadt retten können nur die, die wirkmächtig sind.“ Wer mitreden wolle, der müsse auch aktiv mitmachen und anpacken, betont er. Ein „Wünsch-dir-was-Konzept“ werde es nicht geben.

Doch was macht eine Innenstadt zukunftsfähig? Der Handel sei zwar ein wichtiger, aber nicht der einzige Faktor, sagt Jens Nußbaum: „Die Innenstadt muss mehr sein als ein Konsumraum, Nichthandelsfunktionen werden immer wichtiger.“ Denn allein das Einkaufserlebnis lockt nach seiner Einschätzung niemanden mehr hinter dem Ofen vor. Schließlich biete das Internet eine riesige Produktpalette, und der Online-Einkauf sei sehr bequem. Die Folge ist laut Nußbaum, dass die Menschen weniger häufig in die Innenstädte gehen, um zu shoppen. Sind sie aber erst einmal vor Ort, dann wollten sie dort etwas erleben.

Auf der Suche nach der DNA der Stadt

„Einst hat sich eine Innenstadt nicht nur über Handel definiert, und es ist wichtig, dass diese anderen Dinge wieder mehr in den Fokus rücken“, argumentiert Nußbaum. Dazu gehörten kreative Räume, neue Angebote und gemeinsame Aktivitäten: „Es muss etwas los sein, man muss in der Innenstadt etwas Besonderes haben.“ Jens Nußbaum spricht da von der DNA einer Innenstadt – Dingen, die sie unverwechselbar machen. Empfehlenswert seien dafür beispielsweise Hybridkonzepte, wie es sie andernorts schon gebe: ein Lokal, in dem man nicht nur Speisen und Getränke, sondern auch alle Einrichtungsgegenstände kaufen kann. Ein Laden, der neben Büchern belegte Bagels verkauft. Oder ein Baumarkt, der auch Workshops anbietet. Die Innenstadt sollte Überraschungen bereithalten. Zum Beispiel in Form von Pop-up-Stores, die ein wechselndes Warenangebot bieten.

Auch Onlinehandel kann Besucher in die Innenstadt locken

Selbst der Onlinehandel könne Frequenz schaffen, argumentiert Jens Nußbaum und nennt mit der Fashionbox ein Beispiel aus Mönchengladbach. In die Fashionbox in der Innenstadt können sich Kunden online bestellte Ware liefern lassen, ähnlich wie in eine Paketstation. Obendrein kann die Kleidung dort anprobiert und bei Nichtgefallen direkt zurückgesandt werden. Als Extra wird Kaffee und Süßes serviert.

Ein virtueller Biergarten, in dem die Kundschaft digital bestellt und bezahlt, das Essen wird aus umliegenden Partnerrestaurants angeliefert, sodass für jeden Geschmack das Passende dabei ist – auch so etwas gibt es schon in Deutschland. Und im österreichischen Wien werden leer stehende Ladengeschäfte in Hotelzimmer umgewandelt, was laut den Betreibern „ein besonders authentisches Wien-Erlebnis garantiert“. Eine zeitweise Begrünung mittels Hochbeeten und Urban Gardening, temporäre Spielflächen oder Parkdecks, die zur Strandbar werden, sind weitere Tipps, wie die Innenstadt attraktiver werden kann.

Wo punktet Waiblingen?

Um das Ziel zu erreichen, brauche es vor allem einen Bewusstseinswandel, sagt Nußbaum. Dazu gehört zum Beispiel eine Stadtverwaltung, die unbürokratisch mit neuen Ideen umgehe. Oder Immobilienbesitzer, die beim Vermieten ihrer Läden nicht nur darauf achten, wer die höchste Miete bezahlt.

In den kommenden Wochen will das Team des Planungsbüros mit der Stadt und Bürgern analysieren, in welchen Bereichen Waiblingen punktet, wo es weniger gut da steht und nach positiven Beispielen in der Nachbarschaft Ausschau halten. „Wir wollen herausfinden, an welchen Schräubchen man drehen kann“, so formuliert es Jens Nußbaum. Anhand dieses „Fitnesschecks“ werde dann ein Paket mit Maßnahmen geschnürt – solchen, die sich schnell umsetzen lassen, aber auch längerfristigen Projekten. „Ein Stadtstrand zum Beispiel rettet nicht die Innenstadt“, sagt Jens Nußbaum, „ist aber ein erster Schritt, um etwas zu verändern.“

Hier geht es zur Informationsseite: www.waiblingen-gestalten.de