Kad Merad (re.) in „Ein Triumph“ Foto: Filmwelt

Die französische Kino-Komödie „Ein Triumph“ von Emmanuel Courcol erzählt von einem wilden Theaterprojekt im Hochsicherheitsgefängnis.

„Komm, wir gehen!“ – „Wir können nicht.“ – „Warum nicht?“ Eine klare Antwort könnten die Hauptfiguren in Emmanuel Courcols Film „Ein Triumph“ auf diese Frage geben: Sie sind Insassen eines Hochsicherheitsgefängnisses. Da geht man nicht einfach mal weg. Zugleich sind sie aber auch Darsteller in einem Theaterstück. Und deshalb rufen sie es sich von Zelle zu Zelle zu, über den nächtlichen Gefängnishof, proben ihre Zeilen ein: „Wir warten auf Godot!“

„Ein Triumph“ beruht auf einer wahren Begebenheit. 1985 inszenierte der schwedische Theaterregisseur Jan Jönson „Warten auf Godot“ in einem Gefängnis. Eine berühmte Aufführung hinter Gittern hatte es bereits 1954 gegeben mit Insassen eines Gefängnisses im rheinländischen Lüttringhausen. Auch Jönson arbeitete mit inhaftierten Laiendarstellern. Mit großem Erfolg und einer fatalen Wendung: Am Abend ihrer größten Vorstellung, vor namhaftem Publikum, erschienen die fünf Godot-Darsteller nicht. Sie hatten die Gelegenheit genutzt, die Flucht ergriffen – und waren über alle Berge. Samuel Beckett soll entzückt gewesen sein.

Die zunächt widerwilligen Häftlinge finden Gefallen am Schauspiel

Der Kinofilm „Ein Triumph“ wurde 2020 ein Pandemie-Opfer, aber beim europäischen Filmpreis als beste Komödie ausgezeichnet. Der Regisseur Emmanuel Courcol verlegt das Geschehen von 1985 in die Gegenwart und von Schweden nach Frankreich. Seine sehr unterschiedlichen Häftlinge lassen sich erst sehr widerwillig auf die Idee ein, Theater zu spielen, und haben von Beckett noch nie gehört. Doch bald entdecken sie ihn für sich, üben sinnfreie Dialoge, immer schnelleres Sprechen seltsamer Worte – und je mehr das Ensemble sich den Klassiker des absurden Theaters zu eigen macht, desto komischer wird das. Die Häftlinge finden Gefallen am Spiel, das dadurch nur noch absurder wird: Die Grenze zwischen Theater und Wirklichkeit verschwimmt.

„Das Stück hat einen großen Widerhall bei den Gefangenen“, sagt Emmanuel Courcol bei einer Stuttgarter Vorpremiere im Kino Atelier am Bollwerk, „weil es von der ganz allgemeinen Situation des Menschen handelt, und sie, als Gefangene, sich besonders damit identifizieren können.“ Courcol begann seine Karriere als Theaterschauspieler. Film und Theater miteinander zu verbinden, habe eine große Herausforderung dargestellt, sagt er zu. Gedreht hat er in einem echten Gefängnis bei laufendem Betrieb – am selben Ort hatte er zuvor eine Dokumentation über einen Theaterworkshop gefilmt.

Ein leidenschaftlicher, verzweifelter Theatermann

Er hat auch mit dem nun 72-jährigen Jan Jönson gearbeitet. Obwohl Courcol die Geschichte stark fiktionalisiert hat, zeigte sich der Theaterregisseur begeistert. Im Film heißt er Etienne und wird gespielt vom französischen Filmstar Kad Merad, der hier noch mehr überzeugt als in Dany Boons Erfolgsfilm „Willkommen bei den Sch’tis“: Ein leidenschaftlicher, verzweifelter Theatermann, der zuletzt auf leerer Bühne steht, zum Publikum von seiner Arbeit spricht, sein flüchtiges Ensemble mit Worten heraufbeschwört.

Nach einer Aufführung in Frankreich wurden die Schauspieler, die in „Ein Triumph“ Laien mimen, von Zuschauern gefragt, ob sie für ihre Darstellung die versprochene Gage erhalten hätten. „Das“, sagt Emmanuel Courcol, „war ein wunderbares Kompliment“ – und fügt der Geschichte eine weitere absurde Wendung hinzu.

Theaterworkshops in vielen Gefängnissen

„Ein Triumph“ ist, bei all seiner mal lauten, mal stillen Komik, auch ein Plädoyer – nicht nur fürs Theater, sondern für die Überwindung kultureller Schwellen schlechthin. Theaterworkshops, sagt Courcol, finden heute in vielen Gefängnissen statt – „1985 war das noch ein Experiment“. Die flüchtigen Schauspieler von damals, dies verrät der Regisseur noch, zerstreuten sich in alle Winde. Einer kam tragisch bei einem Unfall zu Tode – alle anderen führten ein glückliches und normales Leben, wurden mitunter im Laufe der Zeit sogar von der französischen Justiz begnadigt.

Courcol plant bereits den nächsten Film. Wieder möchte er unterschiedliche Schichten von Kultur und Gesellschaft miteinander konfrontieren: Um klassische und populäre Musik soll es diesmal gehen.

Ein Triumph. F 2020. Regie: Emmanuel Courcol. Mit Kad Merad, Pierre Lottin, Marina Hands. 106 Minuten. Ab 6.