Viele Kinder liegen krank daheim und können nicht in die Schule. Foto: dpa/Arne Dedert

In den Klassenzimmern schlägt eine Krankheitswelle derzeit große Lücken. Auffallend viele Schülerinnen und Schüler im Kreis Esslingen liegen flach, aber auch Lehrkräfte fehlen. Wie sieht es mit der Unterrichtsversorgung aus?

Frühmorgens ist in der Riegelhofschule in Ostfildern derzeit Hochbetrieb. Das Telefon steht nicht mehr still, weil so viele Eltern ihre Kinder krankmelden. „Das Sekretariat hat gerade einen harten Job“, sagt Rektor Markus Fritz. Der Krankenstand bei den Schülerinnen und Schülern sei derzeit „eklatant hoch“, berichtet der Schulleiter. Es gebe zwar auch noch einige Coronafälle, vor allem machten den Kindern und Jugendlichen aber grippale Infekte zu schaffen. In manchen Klassen der Nellinger Realschule würden zeitweise bis zu 50 Prozent der Kinder und Jugendlichen fehlen.

An den anderen Schulen im Kreis Esslingen sieht es wohl nicht viel besser aus. Das Regierungspräsidium Stuttgart bestätigt auf Anfrage, dass es derzeit eine Krankheitswelle gibt. Kreisweite Angaben über die Zahl der Ausfälle, auch bei den Lehrkräften, hat die Behörde aber genauso wenig vorliegen wie das Staatliche Schulamt. In der Riegelhofschule fehlen momentan rund zehn Prozent des Kollegiums. „Da hatten wir schon viel schlimmere Phasen“, beruhigt Markus Fritz, trotzdem muss er mit dem Personal jonglieren. „Die jetzige Kombizeit aus Grippe, Corona und sonstigen Infekten kann man mit den Coronajahren nicht vergleichen“, findet Corina Schimitzek, Leiterin des Staatlichen Schulamts in Nürtingen.

Unterrichtsausfall wird derzeit nicht systematisch erfasst

Für die Schulen im Landkreis Esslingen lassen sich derzeit aber offenbar keine genauen Angaben machen, wie viele Stunden nicht stattfinden konnten. So antwortete das Kultusministerium auf eine entsprechende Anfrage des Nürtinger Landtagsabgeordneten Dennis Birnstock jetzt, dass mit Beginn der Pandemie seit dem Frühjahr 2020 keine Zahlen mehr erfasst werden, wie viel Pflichtunterricht nach Stundenplan ausfällt. Das Kultusministerium plane aber, diese Erhebungen wieder durchzuführen, heißt in dem Antwortschreiben weiter.

Vertretungen fehlen

Die Personaldecke, um Ausfälle auffangen zu können, ist jedenfalls dünn. „Wir haben definitiv einen allgemeinen Lehrermangel“, sagt Schulleiter Markus Fritz. Vor allem die ausgeschriebenen Stellen für Vertretungskräfte könnten derzeit nicht oder nur unzureichend besetzt werden. Seine Schule sei anders als die meisten anderen Realschulen im Kreis zwar ausreichend versorgt mit Lehrkräften, Engpässe gebe es trotzdem immer wieder. Kolleginnen und Kollegen müssten aushelfen und Überstunden machen. Trotz der insgesamt schlechten Versorgung im Kreis sei aber kein Unterricht generell ausgefallen, betont Schulamtsdirektorin Corina Schimitzek für ihren Zuständigkeitsbereich. Nur im Esslinger Rohräckerzentrum habe eine Stunde im Nachmittagsangebot gestrichen werden müssen. „Aber Schwangerschaften und Elternzeit für einige Monate sowie akute Erkrankungen führen immer wieder zu Ausfällen“, sagt die Schulamtsleiterin Corina Schimitzek.

Um der aktuellen Grippewelle Herr zu werden, würden viele Schulen mit unterschiedlichen Maßnahmen reagieren, sagt eine Sprecherin des Regierungspräsidiums Stuttgart. Es gebe nicht nur Vertretungsunterricht, sondern Gruppen würden auch zusammengelegt.

Ministerium: Personaldecke ist „auskömmlich“

Das Kultusministerium geht davon aus, dass die Lehrerversorgung im Kreis Esslingen „grundsätzlich auskömmlich“ ist, teilt es dem Abgeordneten Birnstock auf seine Anfrage mit. Neben einer festen Vertretungsreserve würde zudem auch Geld bereitstehen, um befristete Vertretungsverträge abzuschließen. Aus dem Schreiben geht aber auch hervor, dass Lehrer nach wie vor fehlen und Stellen weiter unbesetzt sind. Demnach seien beispielsweise 9,6 Stellen an Grund-, Haupt- und Werkrealschulen und 4,9 an Realschulen im Schulamtsbezirk Nürtingen nicht besetzt. Nur an den Sonderpädagogischen Bildungs-und Beratungszentren und an den allgemeinbildenden Gymnasien im Kreis ist der Bedarf derzeit voll gedeckt.

Dass der Kreis Esslingen vom Lehrermangel besonders betroffen ist, zeigt sich auch daran, dass hier das Verfahren der vorgezogenen Ausschreibungen erlaubt ist. Bereits ab November darf nach ersten Bewerbern gesucht werden, was den Mangelregionen einen Vorsprung verschaffen soll. Über alle Schularten hinweg können vor allem Stellen für Schulleitungen, die in der Pandemie besonders gefordert waren, nur schwer besetzt werden. Im Kreis Esslingen haben dem Kultusministerium zufolge 15 von insgesamt 217 Schulen nur kommissarische Leitungen.

Dünne Personaldecke

Nachwuchs gewinnen
Um den Lehrerberuf wieder attraktiver zu machen, müssten Lehrkräfte entlastet und besser bezahlt werden, fordert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) seit Langem. Zudem sei es nötig, die Zahl der Studienplätze zu erhöhen. Außerdem müsste die ständige Vertretungsreserve aufgestockt werden.

Keine Quarantäne
Wer positiv auf Corona getestet ist, muss in Baden-Württemberg seit einiger Zeit nicht mehr in Quarantäne. Das gilt auch für die Schulen. Doch das Kultusministerium empfiehlt trotzdem, dass kranke Lehrkräfte und Schüler daheim bleiben sollen – unabhängig davon, ob jemand mit dem Coronavirus, einem Influenzavirus oder einem anderen Krankheitserreger infiziert ist. Auch wer positiv ist und keine Symptome zeigt, könne sich krank melden.