Wer im Netz illegale Inhalte verbreitet, soll in Zukunft dafür bestraft werden können. Die Europäische Union hat dazu das Gesetz für digitale Dienste ausgeweitet.
Die Europäische Union beschneidet Stück für Stück die Macht der Digitalkonzerne. Für die Internetriesen wie Google, Facebook und Tiktok gelten in Europa seit geraumer Zeit neue Regeln. Damit sollen auf breiter Front Hass, Hetze und Desinformation eingedämmt werden. Betroffen waren bisher aber lediglich 22 große Onlinedienste mit jeweils mehr als 45 Millionen aktiven Nutzern in der EU pro Monat.
Nun wird das sogenannte Gesetz für digitale Dienste (Digital Services Act – DSA) ausgeweitet und soll ab Samstag auch für kleinere Anbieter gelten. Dazu gehören auch nur national verbreitete Dienste wie der deutsche Onlinemarktplatz Kleinanzeigen. Zudem drohen den Unternehmen in Zukunft erstmals hohe Strafen – bislang waren nur Verwarnungen möglich. Anfangs noch verspottet, sprechen selbst Kritiker inzwischen von einem Grundgesetz für das Internet.
Ein Meilenstein in der EU-Gesetzgebung
Sehr zufrieden äußert sich Andreas Schwab (CDU), binnenmarktpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, der maßgeblich an der Ausarbeitung des Gesetzes mitgewirkt hat. „Mit dem DSA haben wir einen Meilenstein an EU-Gesetzgebung geschaffen, der weltweit Maßstäbe setzt.“ Allerdings mahnt der EU-Parlamentarier auch: „Sowohl Kommission als auch Mitgliedstaaten müssen jetzt liefern, wenn sie dieses Gesetz effektiv durchsetzen wollen.“ Die Umsetzung der Vorgaben stocke noch. So befinde sich die EU-Kommission noch immer auf der Suche nach Mitarbeitern, um die neuen Aufgaben bewältigen zu können. Nach dem Willen der EU-Gesetzgeber müssen die Onlineplattformen in Zukunft illegale Inhalte „unverzüglich“ löschen – möglichst innerhalb von 24 Stunden. Dazu zählen unter anderem Hassreden, Falschinformationen und Darstellungen sexueller Gewalt. Profile sollen schneller gesperrt werden, wenn sie regelmäßig Hetze oder betrügerische Anzeigen veröffentlichen.
Onlineplattformen müssen schneller reagieren
Die Plattformen müssen zudem Videos von ihren Seiten nehmen, die gegen den Willen der dargestellten Menschen hochgeladen wurden. Sie sollen außerdem gegen KI-generierte sogenannte Deepfakes vorgehen, bei denen etwa ein Gesicht in ein Video eingefügt wird. Die Unternehmen sollen zudem verhindern, dass Minderjährige Zugriff auf pornografische Inhalte haben und verpflichtende Altersbeschränkungen einführen. Der Schutz Minderjähriger in der EU sei eine Priorität in dem Gesetz für digitale Dienste, erklärte EU-Digitalkommissar Thierry Breton bei der Verabschiedung der neuen Regelungen.
Die Arbeitsweise der Plattformen soll durch den DSA für die Nutzer zudem transparenter werden. Sie bekommen zum Beispiel die Möglichkeit, den personalisierten Algorithmus auf der Tiktok-Startseite oder auf Instagram auszuschalten.
Die Konzerne müssen zudem in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen die wichtigsten Parameter ihrer Algorithmen veröffentlichen, mit denen sie Inhalte sortieren und filtern. Offengelegt werden sollen auch die Daten, die sie für personalisierte Werbung nutzen. Besonders sensible Daten wie sexuelle Orientierung, politische Einstellung und Religionszugehörigkeit dürfen nicht für gezielte Werbung genutzt werden. Personalisierte Anzeigen für Minderjährige sind vollständig verboten.
Erste Verfahren wegen Falschinformationen
Die EU hat auch bereits bewiesen, dass sie willens ist, die Gesetze auch anzuwenden. Wegen der Verbreitung von Falschinformationen im Zusammenhang mit dem Krieg zwischen Israel und der Hamas eröffnete die EU-Kommission im Dezember ein Verfahren nach dem DSA gegen die Plattform X. Auch gegen mehrere andere Internetriesen wurden bereits Verwarnungen ausgesprochen.
Bisher konnten die Plattformen diese Verwarnungen im Grunde ignorieren. Doch ab Samstag könnte es für die Unternehmen teuer werden. Verstoßen die Unternehmen gegen die neuen EU-Regeln, drohen in Zukunft hohe Geldstrafen, die bis zu sechs Prozent des globalen Umsatzes betragen können. Für den Onlineriesen Amazon wären das gemessen am Umsatz des vergangenen Jahres mehr als 28 Milliarden Euro. Als letztes Mittel kann die EU-Kommission einen Onlinedienst unter dem neuen Gesetz auch sperren.