Die DB Cargo schreibt seit Jahren rote Zahlen. Foto: dpa/Christoph Schmidt

Die größte Güterbahn Europas hat trotz massiver Finanzhilfen erneut horrende Verluste eingefahren. Im EU-Beihilfeverfahren drohen nun harte Auflagen – bis hin zur Zerschlagung, wie die EVG befürchtet.

Der Druck auf Richard Lutz wächst. Seit Mittwoch sitzt der Chef der Deutschen Bahn AG mit seinen Vorstandskollegen bei der Konzernklausur zusammen, um die gravierendsten Probleme des größten deutschen Staatsunternehmens zu beraten. Jahrelange Milliardenverluste, der gigantische Schuldenberg, massive Zugverspätungen, zahlreiche andere Betriebsprobleme, die vernachlässigte Infrastruktur, die endlose Großbaustelle Stuttgart 21 – an heiklen Themen fehlt es bei diesem vertraulichen Strategietreffen der Topmanager wahrlich nicht.

Einer der drängendsten Problemfälle: DB Cargo. Europas größte Güterbahn fährt mit ihren 2500 Loks und über 80 000 Wagen seit mehr als einem Jahrzehnt ununterbrochen in den tiefroten Zahlen und wäre längst pleite, wenn die bundeseigene DB AG als Mutterkonzern nicht ständig die Defizite ausgeglichen hätte. Auch Cargo-Chefin Sigrid Nikutta, die vor vier Jahren als Saniererin antrat, sowie Lutz als Aufsichtsratsvorsitzender haben bisher keine Wende geschafft. Im Gegenteil: Nach Informationen unserer Redaktion verfehlte DB Cargo auch 2023 die Ziele deutlich und belastet die Konzernbilanz erneut mit einem hohen dreistelligen Millionenverlust.

Schwacher Trost

Nur ein schwacher Trost dürfte es dabei für die DB-Spitze sein, dass sich das Rekorddefizit im Güterverkehr wenigstens nicht nochmals vergrößert hat, wie intern verlautet. Allein 2022 musste der Konzern einen um rund 40 Prozent erhöhten Fehlbetrag von 665 Millionen Euro übernehmen, in der Bilanz wies die Cargo-Tochter sogar ein Minus von 858 Millionen Euro bei gerade mal 3,5 Milliarden Euro Umsatz aus.

Derweil wächst die Unruhe unter den rund 31 000 Beschäftigten von DB Cargo. Schon vorigen Sommer warnte die Gewerkschaft EVG, dass bis zu 8000 Jobs auf der Kippe stehen könnten, wenn es vom Staat keine höhere Förderung des hochdefizitären Einzelwagenverkehrs gebe. Im Herbst war dann noch von knapp 2000 Stellen weniger die Rede, die vor allem in der Verwaltung abgebaut werden könnten. „Die Vorstände machen Fehler, und unsere Kolleginnen und Kollegen sollen die Zeche zahlen“, schimpfte damals EVG-Vize Cosima Ingenschay.

Hinter den Kulissen in Berlin und Brüssel wird intensiv über die Zukunft von DB Cargo verhandelt. Denn die EU-Kommission will die Verlustausgleiche durch den DB-Staatskonzern nicht länger dulden und leitete Anfang 2022 ein Verfahren wegen unzulässiger Beihilfen ein. In einem ähnlich gelagerten Verfahren gegen Frankreich, das mehr als fünf Milliarden Euro Verluste der staatlichen Güterbahn SNCF Fret übernommen hatte, gab es bereits weitreichende Auflagen. Offiziell wollen weder die EU-Kommission noch die Bundesregierung und der DB-Konzern Details zum laufenden Verfahren nennen.

300 Millionen Euro Förderung

Trotz der massiven Kürzungen im Bundeshaushalt 2024 wegen des Finanzdebakels beim Klima- und Transformationsfonds hält die Ampelregierung zumindest an der auf jährlich 300 Millionen Euro erhöhten Förderung für den Einzelwagenverkehr fest, von der vor allem DB Cargo profitiert. In diesem Netzwerk von Rangierbahnhöfen und aufwendig zusammengekoppelten Waggons sind laut EVG täglich 2000 Güterzüge unterwegs, was etwa 40 000 Lkw-Fahrten entspricht und jährlich über zwei Millionen Tonnen CO₂ einspart. Damit sei der Schienengüterverkehr siebenmal klimaschonender und 13-mal schadstoffärmer als der Lkw. Mit Blick auf das EU-Verfahren wiederum warnt die EVG, dass in letzter Konsequenz Brüssel sogar die Zerschlagung des Unternehmens anordnen könnte – was angesichts der Herausforderungen durch den Klimawandel „geradezu absurd wäre“. Um den Anteil des Schienengüterverkehrs bis 2050 zu verdoppeln, wie es auch die EU beabsichtige, sollten daher „die Untersuchungen eingestellt und der Schienengüterverkehr zu einer Dienstleistung von allgemeinem Interesse erklärt werden“.

Doch so einfach ist die Sache nicht. Denn längst fährt DB Cargo in Deutschland nicht mehr fast allein Fracht auf der Schiene. Wettbewerbsbahnen haben seit der Bahnreform 1994 deutlich mehr als die Hälfte des Marktes erobert und fordern ihren Anteil auch an den Finanzhilfen. „Wenn es dauerhafte Subventionierung des Einzelwagenverkehrs gibt, müssen diese Transporte gemäß EU-Regeln zwingend ausgeschrieben werden“, sagte Peter Westenberger, Geschäftsführer des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen, unserer Redaktion.

Die DB Cargo strebt nun für 2024 eine „schwarze Null“ an, wie intern betont wird. Ob das dank der erhöhten Förderung endlich gelingt, hängt auch davon ob, ob DB-Chef Richard Lutz und Saniererin Sigrid Nikutta ihre Pläne zur Umstrukturierung gegen die Gewerkschaft EVG durchsetzen können. Die Vorgänger haben das nicht geschafft. Ex-Konzernchef Rüdiger Grube scheiterte mit seinen Rotstiftplänen am Widerstand von Gewerkschaft und Betriebsrat – und warf schließlich entnervt hin.