Einen humanoiden Roboter – etwa das Modell „Pepper“ der Firma Softbank – kann sich Petra Gaugisch in der Pflege durchaus vorstellen: allerdings nur als Ergänzung. Foto: privat/oh

Technische Innovationen haben längst auch in der Kranken- und Altenpflege Einzug gehalten, darunter etliche, die einen Mehrwert bringen. Echte Pflege-Roboter gibt es allerdings nicht. Und sie werden und sollen auch nicht kommen, sagt die Esslinger Expertin Petra Gaugisch.

Für die einen ist es der Weisheit letzter Schluss, um dem Pflegenotstand noch irgendwie Herr werden zu können. Für die anderen ist Robotik im Umgang mit Hilfsbedürftigen schlicht Science Fiction ohne jeden Mehrwert. Die Wahrheit liegt, wie so oft, irgendwo in der Mitte. Die Esslingerin Petra Gaugisch ist bereits seit Jahrzehnten in der Pflege tätig: zunächst als Krankenschwester, dann als Lehrerin für Pflegeberufe und – nach einem Diplompädagogik-Studium mit dem Schwerpunkt Gesundheitswissenschaften – seit 2003 beim Stuttgarter Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO).

Als wissenschaftliche Mitarbeiterin ist sie dort, zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen, für das Themenfeld „Pfle- ge“ zuständig und im Rahmen ihrer Projekte und Forschungsarbeiten schon seit geraumer Zeit mit digitalen Hilfsmitteln und technischer Unterstützung bis hin zur Robotik befasst. Zwei Punkte stehen für Gaugisch dabei fest: „Roboter werden ausgebildete Pflegekräfte niemals ersetzen, können aber, wenn man die technischen Voraussetzungen bereitstellt und eine gute Mischung hinbekommt, als wichtiges Hilfsmittel dienen.“

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Und: „Es gibt schon super Techniken, die aber oft noch unbekannt sind, und die so weiterentwickelt werden müssen, dass ältere Menschen so lange wie möglich in ihrem eigentlichen Zuhause bleiben können“, fügt die 55-Jährige hinzu. Dies entspreche überwiegend nicht nur den Wünschen der Seniorinnen und Senioren, sondern sei in Zukunft schon deshalb unerlässlich, „weil wir uns als Gesellschaft eine stationäre Versorgung, wie wir sie heute kennen, nicht mehr werden leisten können“. Für Gaugisch sind es vor allem die Bereiche Sicherheit und Teilhabe, in denen die unterschiedlichsten Techniken eine wichtige Rolle einnehmen können.

„Das Wohlbefinden zuhause sowie eine größtmögliche Selbstständigkeit und Autonomie in den eigenen vier Wänden lassen sich damit fördern“, weiß die Expertin und nennt nur einige wenige Beispiele: angepasste Sensoriken für ein Nachtlicht bei Toilettengängen etwa oder auch ein automatisches Herd-Aus, falls das Abschalten vergessen wird. Hausnotrufe, die nicht extra gedrückt werden müssen, sondern die auf „ungewohnte“ Zeiten oder Positionen selbsttätig reagieren sowie „lernende“ Elektrostecker, die Routinen erkennen. „Da lässt sich vieles automatisieren, um die Sicherheit zu erhöhen“, weiß die Pflege-Expertin.

Während all diese technischen Hilfsmittel mit Robotik noch nichts zu tun haben, sieht das unter dem Stichwort Teilhabe ein wenig anders aus. So lassen sich Sprachassistenten, mit denen Telefonate geführt, das Fernsehprogramm gewählt oder im Internet gesurft werden kann, in eine Maschine integrieren, die sich durch den Raum bewegt. „Alexa kommt dann praktisch ans Bett gefahren“, erklärt Gaugisch, für die der Teilhabe-Aspekt eine große Bedeutung hat, „weil die Vereinsamung älterer Menschen durch Interaktion abgemildert werden kann“. Sie schränkt jedoch ein: „Ein echter Roboter ist ein solches Gerät noch lange nicht.“

Die Pflege von kranken und alten Menschen, davon ist die Esslingerin überzeugt, werde auch in Zukunft nicht von Maschinen übernommen. Und aus ihrer Sicht geht die Diskussion in der Branche mittlerweile in die richtige Richtung: „Zu Beginn waren die Projekte sehr technikgetrieben und oft saßen die Anwender gar nicht mit im Boot. Inzwischen geht es vor allem darum, Pflegekräfte zu entlasten und ihnen Tätigkeiten abzunehmen, die nicht zur Pflege gehören und die sie deshalb nicht tun sollten, aber tun müssen.“ So könnten Maschinen etwa Schränke befüllen, Betten schieben oder die Dokumentation deutlich vereinfachen, ja vielleicht auch noch Getränke verteilen, fährt Gaugisch fort. „Beim Füttern und beim Waschen, beim Pflegen und erst recht wenn es um persönliche Zuwendung geht, funktioniert das, wie sich in wissenschaftlichen Studien gezeigt hat, aber einfach nicht.“

Das Motto für die Pflege der Zukunft lautet also Entlastung und Ergänzung anstatt Ersatz für ausgebildete Kräfte? – Für Petra Gaugisch stellt sich diese Frage in dieser Form gar nicht. „Die Notwendigkeit für eine solche Unterstützung ist da, muss aber auch gesehen werden. Und die technischen Voraussetzungen müssen vorhanden sein, damit die Systeme funktionieren.“ Ein klar erkennbarer Nutzen, eine unkomplizierte Anwendung mitsamt verständlicher Einweisung, seien das A und O, damit denen, die in der Pflege tätig sind, Überflüssiges abgenommen werde und sie sich auf die Kernelemente ihrer eigentlichen Tätigkeit konzentrieren könnten, fügt sie hinzu.

Dass derartige Innovationen Geld kosten und zunächst Personalressourcen binden, steht für die Fachfrau ebenfalls fest. „Deshalb muss man sich so etwas einmal anschauen, auch wenn die Beispiele rar sind“, ergänzt sie. Die Evangelische Heimstiftung habe allerdings in Obertürkheim eine solche Musterwohnung und der Schwarzwald-Baar-Kreis in Schwenningen ebenfalls. „Dort ist zu sehen, dass die Technik kein Selbstzweck ist, sondern den Nutzern dient.“

Noch ein weiter Weg

Pepper
  Am Beispiel des „ Roboter-Gefährten“ Pepper zeigt sich, dass derartigen Anwendungen – trotz ihrer Künstlichen Intelligenz – Grenzen gesetzt sind. Je spezialisierter die lernenden Maschinen arbeiten müssen, umso weniger gelingt derzeit (noch) die Umsetzung. So waren auch Peppers Funktionen und intellektuellen Fähigkeiten begrenzt. Selbst die Industrie setzt mittlerweile eher auf Nutzwertroboter, die in klar vordefinierten Bereichen eingesetzt werden.

Produktionsstopp
So hat der Hersteller Softbank bereits 2020 die Produktion seines Aushängeschilds Pepper vorerst gestoppt, weil die Nachfrage zu wünschen übrig ließ. Anzeichen dafür, dass sich daran etwas ändern könnte, gibt es momentan nicht.