Der europäische Strommarkt soll reformiert werden – ohne allzu große Eingriffe. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

EU-Kommission will mit einem Umbau des Strommarktes explodierende Preise für Verbraucher vermeiden.

Die EU-Kommission will den europäischen Strommarkt reformieren, verzichtet aber auf allzu große Eingriffe. Die Erleichterung ist vor allem in Deutschland groß, die Bundesregierung hatte sich gegen weitgehenden Veränderungen des bestehenden Systems gestemmt.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte in Straßburg, mit der Reform werde „die Auswirkung des Gaspreises auf den Strompreis drastisch gesenkt. Dafür könnten „die Verbraucher von den billigeren erneuerbaren Energien profitieren“ Bürger und Unternehmen waren zuletzt durch die explodierenden Energiepreise schwer in Mitleidenschaft gezogen. Im Kern setzt die Brüsseler Behörde auf Langfristverträge zur Energieversorgung, um unabhängiger von Preisschwankungen zu werden.

Mehrere Krisen sind Ursache für Steigerung des Strompreises

Grund für die rasante Steigerung des Strompreises war eine Mischung aus mehreren Krisen. Hauptsächlich verantwortlich war der russische Überfall auf die Ukraine, der nicht nur die Gaspreise in astronomische Höhen trieb. Zum Problem wurden aber auch die französischen Atomkraftwerke, von denen im vergangenen Sommer rund die Hälfte nicht am Netz war oder nicht voll liefern konnten.

Das war eine fatale Entwicklung für den eng verknüpften europäischen Strommarkt. Zudem sind Gas- und Strommarkt in der EU über das sogenannte Merit-Order-Prinzip miteinander verbunden. Dies bezeichnet die Einsatzreihenfolge der an der Strombörse anbietenden Kraftwerke. Kraftwerke, die billig Strom produzieren können, werden zuerst herangezogen, um die Nachfrage zu decken. Das sind zum Beispiel Windkraft- oder Solaranlagen. Am Ende richtet sich der Preis aber nach dem zuletzt geschalteten und somit teuersten Kraftwerk. Das sind oft die Gaskraftwerke, die im vergangenen Jahr allerdings sehr teuer produzierten. Der relevante Gaspreis liegt derzeit allerdings wieder deutlich unter den Rekordwerten vom vergangenen Jahr. Zuletzt waren es rund 50 Euro pro Megawattstunde – im vergangenen Sommer waren es teils deutlich mehr als 300 Euro.

Staat und Energieunternehmen einigen sich auf Preiskorridore

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien soll über verschiedene Anreize vorangetrieben werden. Ein Weg sind sogenannte Differenzverträge (CFD). Bei diesem Modell einigen sich der Staat und die Energieunternehmen auf einen Preiskorridor pro Kilowattstunde. Liegt der Preis am Markt niedriger, zahlt der Staat die Differenz und gibt dem Erzeuger somit Planungssicherheit. Übersteigt der Preis eine bestimmte Schwelle, überweist der Erzeuger dem Staat Geld. Vorgesehen sind auch Power Purchasing Agreements (PPA). In diesem Fall schließt etwa ein Windparkbetreiber einen Vertrag mit einem Industrieunternehmen und liefert dann Strom zu einem vereinbarten Preis. Solche Geschäfte sollen etwa durch staatliche Bürgschaften gefördert werden. Diese gäben nicht nur Erzeugern von Öko-Energien wie Wind oder Sonne mehr Planungssicherheit, sagte EU-Energiekommissarin Kadri Simson in Straßburg. Dadurch würden auch „die Stromrechnungen der Verbraucher unabhängiger von kurzfristigen Preisänderungen“, betonte sie.

Kritik an den vorgelegten Vorschlägen kommt aus dem Europaparlament. Viele Abgeordnete ärgert sich vor allem darüber, dass auch Kernkraftwerke von den Förderungen profitieren können. „Die Atomenergie wird den Erneuerbaren als Kuckucksei ins Nest gelegt“, beklagt Michael Bloss, grüner Europaabgeordneter. „Obwohl sie extrem teuer, nicht versicherbar und nicht vereinbar ist mit einem zukünftigen, flexiblen Stromsystem ist.“ Cornelia Ernst von den Linken schlägt in dieselbe Kerbe. „Atomkraft ist und bleibt eine Hochrisikotechnologie, die nicht mit öffentlichen Mitteln bezuschusst werden sollte“, sagt die Parlamentarierin.

In den kommenden Jahren müssen weitere Reformen folgen

Experten betonen, dass sich die EU in den kommenden Jahren nicht weiter um eine grundlegende Reform des Strommarktes drücken kann. So verweist Georg Zachmann von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel etwa auf die massive Elektrifizierung der Gesellschaft und die Digitalisierung des Strommarkts. Zudem dürften ihm zufolge künftig deutlich mehr einzelne Akteure etwa mit Solar- oder Windanlagen auf dem Markt aktiv sein