Ein Bild von der vergangenen CSD-Parade in Stuttgart. „Reutlingen ist bunt“, lautet das Motto am Samstag. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Am Samstag, 10. Juni, findet zum ersten Mal ein Christopher Street Day in Reutlingen statt. Zahlreiche Beleidigungen in sozialen Netzwerken trüben die Vorfreude aufseiten des Veranstalters – die Polizei ist eingeschaltet, der Staatsschutz ermittelt.

Beim ersten Christopher Street Day (CSD) in Reutlingen sind knapp 200 Teilnehmer angemeldet, mehr als 500 Zuschauer werden entlang der Strecke erwartet. „Vielleicht sogar einige mehr“, sagt Mitorganisatorin Sarah Süßmuth, die hofft, dass bei der Parade, der Kundgebung und der anschließenden Hocketse alles friedlich ablaufen wird. „Ein unwohles Gefühl und ein gewisser Respekt sind da“, sagt sie mit Blick auf die zahlreichen Kommentare, die sie in den vergangenen Tagen unter Beiträgen zur Veranstaltungen lesen musste. „Ich hoffe, dass die Anfeindungen nur heiße Luft sind.“

Gegendemo im Internet angedroht

Unter dem Motto „Reutlingen ist bunt“ macht sich der Veranstalter bei der Premiere für Vielfältigkeit stark. Im Netz wird darauf mit „Reutlingen ist Deutsch“ gekontert. „Ihr seid hier nicht erwünscht“, „Raus aus der Stadt“ oder „Zieht besser Laufschuhe an“ – das sind nur eine kleine Auswahl an Posts, die Süßmuth neben Reichsbürgerflaggen sinngemäß in Erinnerung geblieben sind. Zudem werde unterstellt, dass die Erziehung kläglich gescheitert sei. „Die Hetze ist wirklich unter aller Sau. Auch eine Gegendemo wurde in sozialen Netzwerken angedroht. Angemeldet ist sie jedoch nicht. Ich verstehe es nicht. Es wird doch niemandem etwas getan, wir fügen niemandem einen Schaden zu.“

Der Verein CSD Reutlingen, der vor rund einem Jahr gegründet wurde, stehe mit der Polizei im Austausch. „Wir gehen mit Vorsicht an die Sache ran“, so Süßmuth. Darüber hinaus würde man von jedem Hasskommentar einen Screenshot erstellen und diesen ans Polizeipräsidium Reutlingen weiterleiten.

„Wir haben die homophoben Anfeindungen auf dem Schirm“, sagt eine Polizeisprecherin. Gemeinsam mit dem Staatsschutz würden die Inhalte geprüft, Ermittlungen eingeleitet und die Fälle zur Anzeige gebracht. „Beim CSD in Reutlingen werden Einsatzkräfte vor Ort sein, die über die Vorkommnisse Bescheid wissen. Unsere Erkenntnisse fließen in die Planung mit ein.“ Wie viele Beamte vor Ort sein werden, gibt die Sprecherin nicht preis, auch zur Taktik äußert sie sich nicht.

Bemerkenswert: Während das bunte Reutlingen im Netz angefeindet wird, ist die Lage in Esslingen bislang noch entspannt. In der großen Kreisstadt findet am Samstag, 17. Juni, ebenfalls zum ersten Mal eine CSD-Parade statt. „An uns wurde nichts herangetragen“, sagt Mitorganisator Daniel Krusic. Die Lage sei ruhig, man sei bisher guter Dinge, dass die Veranstaltung ohne Zwischenfälle ablaufen könne.

Treffen mit Innenminister und OB Nopper

Detlef Raasch vom Christopher Street Day Stuttgart engagiert sich seit mehr als zwei Jahrzehnten im Verein für die LSBTTIQ-Bewegung, kämpft für Respekt gegenüber queeren Menschen und für deren gesetzliche Gleichstellung. Am Samstag wird er bei der Parade in Reutlingen ebenfalls dabei sein, die Anfeindungen nimmt er mit großer Sorge zur Kenntnis. „Die Hasskriminalität hat seit letztem Jahr deutlich zugenommen“, sagt er, zumal es eine große Dunkelziffer geben würde.

Im Mai habe er gemeinsam mit Vertretern des CSD Reutlingen und Esslingen ein sehr „positives Treffen“ mit Innenminister Thomas Strobl gehabt. „Wir haben bei Veranstaltungen ein umfangreiches Sicherheitskonzept, sind mit Polizei und Sicherheitsdienst gut aufgestellt. Auch bei der großen Parade in Stuttgart, die am 29. Juli stattfindet“, sagt Raasch, der betont, dass jedoch der Heimweg oftmals ein Risiko darstellen würde. Vor allem, wenn Teilnehmerinnen und Teilnehmer alleine in der Stadtbahn unterwegs seien. „Die Polizeibeamten sind in diesem Jahr für diese Problematik aber sensibilisiert“, so das Mitglied des Stuttgarter CSD-Vorstand, der am Freitag im Rathaus zu Gast war. „Ich hatte ein erstes Gespräch mit Oberbürgermeister Frank Nopper zur queeren Sicherheit. Weitere werden folgen.“