Die gesamte hochalpine Landschaft um den einst massiven Eiskörper des Tiroler Jamtalgletschers ist in Bewegung. Das Tempo der Gletscherschmelze in den Ostalpen hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass die einst massiven Eiskörper nahezu vor den Augen der Forscher zerbröseln. Foto: Imago/Eibner Europa

Bis zu 300 000 Milliarden Tonnen Gletschereis gehen jedes Jahr verloren – die Eisschilde Grönlands und der Antarktis nicht mitberechnet. Besonders besorgniserregend ist der Zustand der österreichischen Gletscher. Für sie gibt es keine Rettung mehr.

Österreichs Gletscher werden nach Ansicht von Forschern in wenigen Jahrzehnten praktisch verschwunden sein. „In 40 bis 45 Jahren wird Österreich weitgehend eisfrei sein“, sagt Andreas Kellerer-Pirklbauer vom Institut für Geografie und Raumforschung an der Universität Graz am Freitag(5. April).

Deutlicher Schwund am Großglockner

Von 93 beobachteten Gletschern hätten von 2022 auf 2023 bis auf einen alle an Länge verloren. Besonders deutlich sei der Rückgang bei der Pasterze am Fuß des Großglockners: Hier wurde ein Schwund von 203,5 Metern gemessen, wie aus dem aktuellen Gletscherbericht des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) hervorgeht, der in Salzburg präsentiert wurde. Die 203 Meter bedeuten einen Verlust von 14,03 Millionen Kubikmeter Eis.

Die Pasterze ist mit acht Kilometern Länge der größte Gletscher Österreichs und der längste der Ostalpen. Foto: Imago/Eibner Europa

Im Durchschnitt hätten sich die 93 Gletscher im vergangenen Beobachtungsjahr um 23,9 Meter zurückgezogen, das ist der dritthöchste Wert in der 133-jährigen Geschichte der Messungen des Alpenvereins. Noch stärker war der Rückzug 2021/22 mit 28,7 Metern und 2016/17 mit 25,2 Metern. Damit wurden alle drei Höchstwerte in nur sieben Jahren registriert.

Das Ende der Gletscher in Österreich ist nach Angaben der Experten angesichts des Klimawandels nicht mehr zu verhindern. „Das System ist zu träge“, betont Gerhard Karl Lieb vom ÖAV-Gletschermessdienst. „Hier geht nichts mehr.“ Auch restriktive Klimaschutzmaßnahmen kämen bereits zu spät. Auf globaler Ebene hingegen sei noch etwas zu erreichen.

In Österreich gibt es mehr als 900 Gletscher, die meisten davon in den Zentralalpen.

Weltweit haben Gletscher seit 1961 rund 9000 Milliarden Tonnen Eis verloren

Der Hohe Sonnblick ist ein 3106 Meter hoher, vergletscherter Berg des Alpenhauptkamms in der Goldberggruppe in Salzburg an der Grenze zu Kärnten. Foto: Imago/Pond5 Images

Weltweit verlieren schmelzende Gletscher jährlich rund 335 Milliarden Tonnen Eis. Zu diesem Schluss sind auch Forscher aus Zürich gekommen, die Satellitenmessungen und Beobachtungen vor Ort ausgewertet haben.

Die Wissenschaftler um Daniel Farinotti von der Universität Zürich schreiben in einer Studie im Fachjournal „Nature Geoscience“, die Welt verliere damit jährlich rund drei Mal das verbleibende Gletschervolumen der Europäischen Alpen. Die Gletscher hätten zwischen 1961 und 2016 mehr als 9000 Milliarden Tonnen Eis verloren.

Die Forscher schätzen das Eisvolumen von 215 000 Gletschern auf 158 000 Kubikkilometer. Das seien 18 Prozent weniger als der Durchschnitt früherer Schätzungen. Das Meereis und die zusammenhängenden Eisschilde Grönlands und der Antarktis ließen sie außer Acht. Rund die Hälfte der übrigen Gletscher liege in den arktischen Gebieten etwa von Nordamerika und Russland.