Die Liquidität der ehemals finanziell starken Strohgäu-Kommune schmilzt rapide. Stark sinkende Gewerbesteuereinnahmen machen sich bemerkbar. Der Haushaltsplan sieht ein Defizit von 3,5 Millionen Euro vor.
Gerlingen muss den Gürtel erneut enger schnallen. Wie schon 2022 rechnet die einst so finanzstarke Strohgäu-Kommune auch für das kommende Jahr mit einem negativen Haushaltsergebnis. Am Mittwochabend hat die Stadtverwaltung den Haushaltsplan vorgelegt. Demnach dürfte unterm Strich am Ende des Jahres 2023 ein kalkuliertes Minus von knapp 3,5 Millionen Euro stehen.
Vor allem die rapide sinkenden Gewerbesteuereinnahmen, die in der Vergangenheit in Gerlingen so üppig sprudelten, drücken auf die Bilanz. Industrie und Gewerbe werden demnach mit geschätzten 20 Millionen Euro rund zehn Millionen Euro weniger überweisen als im laufenden Jahr. „Der Gewerbesteuereinbruch führt nach wie vor zu defizitären Planergebnissen“, bilanziert Bürgermeister Dirk Oestringer (parteilos). Bei der Einkommensteuer stellt sich die Lage etwas besser dar: Hier steigt der Gemeindeanteil um 1,5 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr auf rund 18,3 Millionen Euro.
Reserven sind wohl Ende 2023 aufgebraucht
Oestringer betonte am Mittwoch die Gesetzmäßigkeit des eingebrachten Haushalts. Gelingen konnte das freilich nur mit einem erneuten Griff in die Rücklagen. Die buchhalterische Ergebnisrücklage verringert sich damit im Jahr 2023 von rund 31,3 auf 27,8 Millionen Euro. Noch schneller als die Ergebnisrücklage schmelzen Gerlingens flüssige Mittel. Die knapp 27 Millionen Euro, die aktuell noch auf der hohen Kante liegen, werden am Ende des kommenden Jahres fast ganz verbraucht sein. Noch 2019 verfügte die Stadt über eine Liquidität von nahezu 82 Millionen Euro.
Noch müssen in Gerlingen keine neuen Schulden gemacht werden. Doch Dirk Oestringer unterstreicht, dass die Situation mittelfristig „durchaus schwierig“ werden könnte. „Sollte sich die Einnahmesituation nicht ändern, müssen wir sowohl auf der Ausgabenseite als auch auf der Einnahmeseite gewichtige Anpassungen vornehmen“, so der Bürgermeister. Vor allem die hohe Inflation stelle derzeit einen großen Unsicherheitsfaktor dar. Im Februar soll der Haushalt verabschiedet werden.
Realschule bleibt größter Einzelposten
Trotz der angespannten Finanzlage investiert Gerlingen im kommenden Jahr mehr als elf Millionen Euro in die Stadtentwicklung. Der mit Abstand größte Einzelposten geht auf das Konto der Realschule, die 2023 mit 4,6 Millionen Euro den kommunalen Haushalt belastet. Insgesamt soll die Sanierung und Erweiterung des Schulgebäudes am Ende mit prognostizierten 36 Millionen Euro zu Buche schlagen.
Viel Geld will Gerlingen 2023 zudem in die Instandsetzung aller Regenüberlauf- und Regenrückhaltebecken stecken. Das belastet den kommenden Haushalt mit 900 000 Euro. Die Gesamtkosten der Maßnahme liegen bei etwa 3,2 Millionen Euro. Weitere Projekte, die 2023 haushaltsrelevant werden, sind die Sanierung der Pestalozzi-Schule, der Brückentorhalle, des Stadtmuseums, des Alten Rathauses sowie der Bau einer neuen Mensa im Schulzentrum.
Stadt investiert kräftig
Die Erneuerung der Gerlinger Straßenbeleuchtung wird im kommenden Jahr mit 300 000 veranschlagt. Gesamtkosten hier: 1,05 Millionen Euro. Wie in allen Städten und Gemeinden belasten auch in Gerlingen derzeit die globalen Rahmenbedingungen den Stadtsäckel erheblich.
So steigen in der Strohgäu-Kommune einerseits die kommunalen Energiekosten auf Grund der Energiekrise und trotz der voraussichtlichen Strom- und Gaspreisbremse gegenüber 2021 um rund eine Million Euro. Andererseits wächst durch die Klimaveränderung der Bedarf an vor Ort produziertem grünem Strom rasant an. Gerlingen plant deshalb, den Ausbau seiner Photovoltaik-Anlagen voranzutreiben, und investiert dafür rund 750 000 Euro.
Geplantes Minus wird zum Plus
Anlass zur verhaltener Hoffnung, dass es am Ende doch nicht so dick kommt wie befürchtet, könnte in Gerlingen ein Blick zurück geben: So hatte sich im Haushaltsjahr 2021 ein prognostizierter Planwert von minus sieben Millionen Euro aufgrund von massiven Sparmaßnahmen am Ende in ein deutliches Plus von mehr als zwölf Millionen Euro verwandelt. Und auch 2022, so kündigt Oestringer an, werde der Abschluss besser sein als das zuvor geschätzte Minus von 4,4 Millionen Euro. „Die Abweichung wird aber nicht so hoch ausfallen wie im Jahr zuvor“, erklärt der Rathaus-Chef.