Im Homeoffice gibt es einige Dinge, die man beachten sollte. Foto: dpa

Damit sich Corona nicht weiter verbreitet, werden viele Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt. Endlich mal in Ruhe arbeiten? Oft sieht der Alltag aber anders aus. Wie man effektiv arbeitet und sich nicht verzettelt, erklärt die Expertin Ulrike Noske.

Kreis Esslingen - Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel arbeitet derzeit im Homeoffice – wenn auch unter anderen Bedingungen als die meisten normalen Arbeitnehmer. Die müssen oft noch nebenher ihre Kinder betreuen, kämpfen mit der instabilen Technik und wissen nicht, wo sie zuerst anfangen sollen. Von daheim aus arbeiten – das klingt verlockend, hat aber durchaus Tücken. Wir haben mit der Trainerin, Business Coach und Seminarleiterin an der Technischen Akademie Esslingen, Ulrike Noske, gesprochen, wie man trotzdem möglichst effektiv arbeitet.

Beim mobilen Arbeiten fehlen die Fixpunkte. Wie strukturiert man seinen Tag?

Das hängt sehr stark von den Rahmenbedingungen ab, die man vorher mit dem Chef und den Kollegen klären muss. So muss man etwa festlegen, ob und in welchem Zeitraum man erreichbar sein muss, oder ob weniger die Präsenz, sondern das Ergebnis zählt. Es gibt immer noch viele Arbeitgeber, vor allem im Mittelstand, die sehr auf die Arbeitszeiten fixiert sind und weniger auf die Ergebnisse der Arbeit. Man braucht gute Vereinbarungen und man sollte aktiv auf den Arbeitgeber zugehen. Beispielsweise muss man klären, wie man seine Aufgaben bekommt: Werden sie zugeteilt, hole ich sie mir selbst? Wie erfahre ich von Prioritäten? Erst wenn das alles steht, kann ich meine Arbeitszeiten und meine Auszeit planen.

Wie sieht ein solcher Plan aus?

Es beginnt damit, dass man bestimmt, was wirklich wichtig ist. Und für das Wichtige muss Zeit, mindestens 45 oder 90 Minuten, fest einplant sein. Wenn man das nicht konsequent macht, dann wird das Wichtige laufend vom Dringenden verdrängt. Am besten man definiert nur ein einziges wichtiges Thema, das man dann auch wirklich schafft. Nimmt man sich zu viel vor, ist man laufend frustriert. Dringend und wichtig zugleich sind Aufgaben, wenn andere davon abhängen. Man sollte sich eine Liste der To-do’s machen, sonst verzettelt man sich. Eine solche Planung, ohne sie schriftlich festzuhalten, ist sinnlos. Das muss nicht kompliziert sein, es reicht ein handgeschriebener Zettel. Was erledigt ist, kann man durchstreichen – das motiviert zusätzlich. Nur 40 bis 60 Prozent der Zeit sollte verplant sein. Auch Auszeit ist wichtig. Keine Mittagspause zu machen, ist zum Beispiel keine gute Idee.

Welche Rolle spielen die Kollegen?

Vieles ist neu und es gibt vor allem viele technische Hürden zu überwinden. Da braucht es viel Verständnis und Begleitung, da sind auch die Führungskräfte gefragt. Wichtig ist, dass man sich bei Telefonkonferenzen, Chats oder virtuellen Meetings nicht ausklinkt. Es ist nicht egal, ob man teilnimmt oder nicht. Man muss die Hemmschwelle überwinden, um dazuzugehören, denn wir sind alle soziale Wesen. Mit dem Kollegen sollte man sich bewusst auch mal am Telefon verabreden – so wie man sonst vielleicht zusammen einen Kaffee getrunken hätte.

Schick machen muss ich mich dafür ja nicht...

Es muss vielleicht nicht gerade Anzug und Krawatte sein, bequem und informell in Shirt und Jeans reicht. Aber auch wenn mich keiner sieht, die Kameras aus sind, sollte das Outfit so sein, dass man jederzeit aus dem Haus gehen könnte. Schlafanzug ist tabu, so kommt man nicht aus dem Entspannungsmodus.

Vor allem wer Kinder hat, muss im Homeoffice effektiv arbeiten. Wie lernt man, sich nicht zu verzetteln?

Es ist hilfreich, wenn es eine Art Sonderecke fürs Arbeiten gibt, die kann im Schlafzimmer oder im Keller sein, aber möglichst nicht im alltäglichen Wohnumfeld. So kann man visuell präsenter machen, dass Mutter oder Vater gerade beschäftigt sind. Das verstehen oft schon kleinere Kinder. Mit den Kindern sollte man klare Vereinbarungen treffen, wann am Arbeitsplatz gestört werden darf und wann nicht – an konkreten Beispielen: Die kleine Schwester hat sich das Knie aufgeschlagen? Da darf man die Eltern holen, aber nicht, wenn man jetzt gerne was essen möchte. In der störungsfreien Zeit, etwa wenn die Kindern Mittagschlaf machen oder etwas anschauen, sollte man das Wichtige erledigen. Was das ist, legt man schon bei der Tagesplanung fest.

Was tun gegen Aufschieberitis?

Am besten man arbeitet seinen Plan Punkt für Punkt ab. Für Aufgaben, die man bekommt oder die man anderen erteilt, sollte es konkrete Abgabetermine geben. Also nicht „bis Ende der Woche“, sondern Freitag, 10 Uhr. Termine sollte man unbedingt einhalten, denn Vertrauen entsteht dadurch, dass man seine Absprachen erfüllt. Und Vertrauen hat gerade bei virtueller Tätigkeit eine andere Qualität.

Viele sind daheim mehr gestresst und sehnen sich zurück ins Büro.

Wo Kommunikation nicht geklärt ist, tritt das jetzt noch stärker zutage. Natürlich sind die Menschen auch gestresst, weil sie neue Technik benutzen müssen. Sich darauf einzulassen, eine Art Technikresilienz zu entwickeln, wird in Zukunft noch viel mehr Bedeutung bekommen. Wichtig ist auch, dass man die Kernzeiten nicht endlos ausdehnt, so nach dem Motto „man ist ja eh da“. Es spricht nichts dagegen, abends von 19 bis 21 Uhr nochmals zu arbeiten, wenn die Kinder im Bett sind. Aber man muss sich klare Grenzen setzen. Feierabend bleibt Feierabend. Ich bin im Übrigen der Meinung, dass man nur richtig abschalten kann, wenn man dann auch alle Geräte abschaltet.

Viele reden davon, dass die Krise auch eine Chance ist ...

Ja, andere Rahmenbedingungen sind auch eine einmalige Chance, neue, gute Gewohnheiten bei der Arbeit für sich zu etablieren, die auf Dauer leistungsfähiger und zufriedener machen.

 

Das Interview führte Petra Pauli.