Stuttgarter zeigten Flagge gegen die AfD. Foto: Andreas Rosar Fotoagentur-Stuttg/Andreas Rosar Fotoagentur-Stuttg

Bei einer Kundgebung in der Stuttgarter Innenstadt Stuttgart kamen rund 20 000 Menschen, um gegen Faschismus und für mehr Vielfalt zu demonstrieren.

Ganz Stuttgart steht am Samstag auf der Straße. Ganz Stuttgart? Zumindest hat es ab 14 Uhr vor dem Neuen Schloss so den Anschein. Von der Königstraße bis zum Neuen Schloss haben sich mehrere Zehntausend Teilnehmer versammelt. Wohin das Auge reicht, stehen Menschenmassen. Am Mittag kursieren Zahlen von 30 000 oder sogar 50 000 Teilnehmern. Ein Sprecher des Veranstalters geht hingegen von rund 20 000 aus. Aber auch damit wurden die Erwartungen um ein zehnfaches übertroffen. 2000 Menschen hatte man im Vorfeld angemeldet, so der Sprecher weiter.

Auf den Schildern der Menschen, die unter dem Motto „Alle zusammen gegen die AfD“ demonstrieren, stehen Sätze wie „Menschenrechte statt rechte Menschen“ oder auch „AfD wählen ist so 1933“. Einige der Teilnehmer sind dabei nicht nur das erste Mal auf einer Demonstration gegen die AFD, sondern allgemein das erste Mal auf einer Kundgebung beziehungsweise Demonstration, so wie der 32-jährige Felix: „Diese Correctiv-Recherchen waren für mich der Auslöser heute herzukommen“, erzählt er. Für ihn und seine Begleitung Lilli seien aber auch die deutschlandweiten Demonstrationen ein Grund gewesen, um am Samstag auf den Schlossplatz zu gehen. „Da hat sich eine Dynamik entwickelt“, beschreiben sie diese Entwicklung, die sie mitgerissen habe.

Das sagen Teilnehmer der Demo

Auch für Julia aus Stuttgart-Süd sei es nun an der Zeit gewesen „Farbe zu bekennen“, wie sie sagt: „Diese Konferenz hat einfach den Ausschlag gegeben, weil ich nun Menschen in meinem Umfeld habe, die direkt betroffen sind und nun wirklich Angst haben. Deshalb war es für mich klar, dass wir nun Farbe bekennen müssen“. Farbe bekennen“, das heißt für viele „Bunt statt Braun“ oder „Bunt statt blau“, wie auf zahlreichen Plakaten zu lesen ist. „Ganz Stuttgart hasst die AfD“-Sprechchöre unterstreichen die Gemütslage auf der Demo. Doch ein Verbot der Partei, wie es von manchen Seiten derzeit gefordert wird, sehen viele Anwesenden kritisch: „Ich habe meine Zweifel, dass ein Verbot gut ist. Sonst arbeiten sie im Untergrund weiter. Ich sehe eine Möglichkeit gegen die AfD vorzugehen eher in entsprechenden Gesetzen“, sagt beispielsweise Bettina aus Stuttgart-Riedenberg, auf deren Plakat steht „Hitler wurde auch demokratisch gewählt“.

Die Forderungen der Anwesenden und der Veranstalter gehen aber nicht nur in die Richtung der Politik: „Wir hoffen, dass die Leute nicht nur aufstehen, sondern sich in Bewegung bringen“, so ein Sprecher des Bündnisses. Die Hoffnung sei, dass die Menschen künftig bei der Arbeit und im privaten Umfeld ihre Stimme gegen rechte Parolen erheben. Viele der Menschen auf dem Schlossplatz fassen am Mittag zumindest den Entschluss, auch künftig ihre Stimme zu erheben. Auch wenn es im Alltag oft schwierig sei, die richtigen Worte zu finden: „Ich hätte da manchmal in der Vergangenheit klarer reagieren müssen. In der Zukunft will ich schauen, dass ich anders argumentiere und manche Aussagen nicht mehr so akzeptiere“, so Lilli aus Stuttgart.

So lautet die Bilanz der Polizei

Trotz der hohen Teilnehmerzahl verläuft die Kundgebung mit anschließender Demonstration durch die Innenstadt sehr friedlich. Die Anwesenden lachen, tanzen und freuen sich, „dass wir einfach so verdammt viele und so viele unterschiedliche Leute sind“, wie es Teilnehmerin Rita beschreibt. Dass sie recht hat, zeigt ein Blick in die Menge: Menschen jedes Alters und jeder Herkunft stehen dort. Auch zahlreiche Familien mit Kindern sind gekommen: „Man muss seinen Kindern ja demokratische Werte vermitteln. Wir müssen sie stark machen“, erklärt die 28-jährige Sarah aus Reichenbach.

Und auch die 7-jährige Tochter strahlt mit der kleinen Schwester beim Anblick der vielen Menschen um die Wette, während die beiden stolz ihr Schild, auf dem „bunt statt braun“ steht, in die Höhe halten. Die Polizei bestätigt am frühen Abend den ruhigen Verlauf der Veranstaltung: „Es gab zu keiner Zeit Probleme. Alles lief ganz ruhig ab“, resümiert der Polizeisprecher gegen 17 Uhr, als sich die Demonstration auflöst. Und auch die Teilnehmer ziehen ein gutes und friedliches Fazit vom Tag: „Das war einfach eine mega schöne Erfahrung. Ich bin jetzt total beschwingt“, so die 32-jährige Anna aus Stuttgart-Zuffenhausen. Ob diese Erfahrung „die rechte Welle“ brechen kann, wie es die Plakate fordern, bleibt am Mittag zwar offen, deutlich wird aber, dass am Samstag eine große Welle gegen die AfD durch die Innenstadt rollte.“