Greta Thunberg steht vor dem Europaparlament Rede und Antwort. Foto: dpa/Philipp von Ditfurth

Der Klimawandel bedroht die Landwirtschaft in Europa. Dennoch wird EU-Parlament erbittert über ein EU-Naturschutzgesetz gestritten.

Dieser Sieg geht klar an Greta Thunberg - zumindest was die Zahl der Mikrofone angeht. Die schwedische Klimaaktivistin ist der Stargast bei einer Demo am Dienstag vor dem Straßburger Europaparlament. Sie fordert die Politiker auf, sich „für die Natur und die Menschen, statt für Profit und Gier zu entscheiden“. An der Seite von Thunberg protestieren mehrere Abgeordnete der Grünen, Sozialdemokraten und Linken.

Ein paar Meter weiter steht Manfred Weber, vor sehr viel weniger Mikrofonen. Der einflussreiche, in der Öffentlichkeit allerdings eher unbekannte Chef der konservativen Parteien im Parlament diskutiert mit Landwirten, die ebenfalls mit Plakaten vor dem Gebäude in der Sonne stehen, die an diesem Tag schon morgens gnadenlos auf den Platz brennt. Viel zu sagen haben sich die beiden Gruppen nicht, die Fronten sind verhärtet.

Die Argumente sind längst ausgetauscht

Auch im Plenum des Europaparlamentes sind die Argumente längst ausgetauscht. Während die Demonstranten in der Hitze schwitzten, wurde im weiten Rund des Sitzungssaales ungewohnt heftig über das „Gesetz zur Wiederherstellung der Natur“ gestritten, über das am Mittwoch final abgestimmt wird. Erklärtes Ziel des Gesetzes ist es, die Ökosysteme vor dem Kollaps zu bewahren. Dabei zielt es etwa darauf, trockengelegte Moore wieder zu vernässen, Wälder aufzuforsten und mehr Grün in Städte zu bringen. Damit soll unter anderem der Klimawandel eingedämmt und dem voranschreitenden Artensterben begegnet werden.

„Wir als EVP stehen zu den Zielen des Green Deal“, betonte die CDU-Europaabgeordnete Christine Schneider in Straßburg. Bis zur letzten Minute waren die Konservativen im Parlament bemüht, den Eindruck zu zerstreuen, den Klimaschutz zu blockieren. „Im Ziel sind wir uns alle einige, aber nicht im Weg zu diesem Ziel“, unterstrich Schneider, denn Klimaschutz könne nur „Hand in Hand mit der Landwirtschaft“ gelingen. Vor allem CDU/CSU haben sich in der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament zuletzt als Vertreter der Landwirte profiliert. Viele Bauernverbände sind seit Monaten auf den Barrikaden, da sie sich um ihre Zukunft Sorgen machen.

Die Natur schützen und wiederherstellen

Die Grünen-Politikerin Terry Reintke betonte aber in Straßburg, dass das neue Gesetz erst die Grundlage dafür lege, dass in Zukunft überhaupt eine ertragreiche Landwirtschaft in Europa noch möglich sei. „Wir müssen unsere Natur wieder herstellen, sie schützen, betonte die sie, „das ist die Grundlage unseres wirtschaftlichen Wohlergehens.“

In den vergangenen Wochen haben beide Seiten unter anderem wissenschaftliche Studien präsentiert, die die eigenen Positionen untermauern sollen. Die konservative EVP fuhr zudem in den sozialen Medien eine regelrechte Kampagne, die in ihren sehr zugespitzten Aussagen bisweilen weit über das Ziel hinausschoss. Auch einige Politiker mussten in ihren Aussagen, die sie im Eifer des Gefechts gemacht hatten, wieder zurückrudern. So behauptete die CDU-Frau Christine Schneider, der Gesetzesentwurf würde „unsere Ernährungssicherheit gefährden“. Dafür gibt es allerdings keine Anhaltspunkte. Daraufhin präzisierte die EVP, dass die Versorgungssicherheit der Haushalte mit niedrigen Einkommen mit gesunden und nachhaltigen Lebensmitteln nicht mehr gewährleistet sei.

Scharfe Kritik an den Konservativen im Parlament

Während der Debatte im Straßburger Parlament wurde auch EVP-Chef Manfred Weber immer wieder scharf angegangen. Das geplante Gesetz sei „leider zum Symbol geworden für politische Spielchen und Strategien“, erklärte die Grünen-Politikerin Terry Reintke. Ihre Kritik bezieht sich auf ein Positionspapier, das die Konservativen jüngst nach einem Parteitag in Vorbereitung auf die Europawahl 2024 beschlossen haben. Auf der Suche nach zündenden Themen für den Wahlkampf ist vor allem den deutschen CDU/CSU-Vertretern die aktuelle Schwäche der Grünen in Deutschland ins Auge gefallen. Deutliche Signale kommen auch aus den Niederlanden. Dort konnte die rechts-konservative Bauern-Bürger-Bewegung (BBB) nach heftigen Protesten gegen verschärfte Stickstoffgrenzwerte bei den Provinzwahlen erdrutschartig Stimmen einfahren.

Politisch pikant wird dieser Kurs dadurch, dass der Kampf gegen den Klimawandel das zentrale Projekt der konservativen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist. Ausgerechnet ihre Parteigenossen aus der CDU haben sich nun zum Ziel gesetzt, die zentralen Klima- und Umweltschutzgesetze dieses Green Deal auszubremsen.