Am meisten fürchten sich die Deutschen einer neuen Umfrage zufolge vor dem Wiedererstarken des Rechtsextremismus. Foto: Imago/Bihlmayerfotografie

Zwei Drittel der Deutschen befürchten laut einer Studie eine Spaltung der Gesellschaft. Damit erhöhte sich diese Angst innerhalb weniger Monate deutlich, wie die R+V-Versicherung in der repräsentativen Befragung „Die Ängste der Deutschen“ ermittelt hat.

„German Angst“ ist im Angelsächsischen ein geflügeltes Wort. Es steht für die kollektive Verunsicherung eines ganzen Volkes. Angst vor den Risiken der Kernkraft, vor Pandemien, vor Wirtschaftskrisen, vor dem Klimawandel, vor Dürre, Hitze, Kriegen. Und überhaupt vor dem Weltuntergang.

Für den Münchner Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer ist „German Angst“ kein Hirngespinst. „Es ist evident: Je mehr eine Gesellschaft oder ein Individuum besitzt, desto größer ist auch die Angst, es zu verlieren.“

Das sind die Ängste der Deutschen

Einer neuen Studie zufolge befürchten zwei Drittel der Deutschen eine Spaltung der Gesellschaft. Damit erhöhte sich diese Angst innerhalb weniger Monate deutlich, wie die R+V-Versicherung in ihrer am Montag (19. Februar) in Wiesbaden veröffentlichten repräsentativen Befragung „Die Ängste der Deutschen“ ermittelt hat.

Gesellschaftliche Spaltung

So hatte zwar auch schon im vergangenen Sommer die Hälfte der Befragten eine zunehmende gesellschaftliche Spaltung gefürchtet. Diese Sorge seitdem aber um 16 Prozent gewachsen.

Furcht vor politischem Extremismus

  • Politischer Extremismus: Noch deutlicher als die Sorge vor einer Spaltung der Gesellschaft ist demnach die Furcht vor politischem Extremismus gestiegen. Diese Angst äußerten 59 Prozent der Befragten, 21 Prozentpunkte mehr als in der vorherigen Befragung im Sommer.
  • Rechtsextremismus: Mit Abstand am meisten Sorge macht demnach Rechtsextremismus, vor dem 72 Prozent Angst haben.
  • Islamismus: 61 Prozent der Befragten haben Angst vor islamistischem Extremismus
  • Linksextremismus: 29 Prozent fürchten sich vor Linksextremismus.
  • Trend: Im Langzeitvergleich war die Furcht vor politischem Extremismus seit 1996 erst zweimal größer. Lediglich in den Jahren 2016 und 2017 war unter dem Eindruck von Attentaten der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat und der hohen Flüchtlingszahlen die Angst vor Extremismus noch ausgeprägter.
  • Ost-/Westdeutsche: Nach West- und Ostdeutschland unterschieden haben die Westdeutschen am meisten Angst vor Rechtsextremismus, die Ostdeutschen dagegen vor islamistischem Extremismus.

Deutsche haben Angst vor dem Verlust des Erreichten

„Wir sind momentan in einer gesellschaftlichen Situation, in der Dinge geschehen, die ganz viel mit Angst zu tun haben und vielen Menschen Angst machen“, erklärt der Psychiater Arno Deister. Nach Aussage des früheren Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) haben die Menschen

„Angst vor Veränderungen – vor Fremden, fremden Dingen, Gewalt, Einsamkeit. Eine Gesellschaft wie die deutsche, die sich im Umbruch befindet, führt bei vielen dazu, dass sie Angst haben.“ Zunächst sei Angst nichts Schlimmes. Sie sei eines der zentralen menschlichen Gefühle - eine Emotion, die sehr stark schützt und beschützt.

Was passiert, wenn Angst aus dem Ruder läuft?

Angst werde immer dann zu einer Blockade, wenn sie zu lang anhält, zu stark und nicht mehr zu bewältigen ist, erläutert Deister. Wenn ein Mensch den Eindruck habe die Kontrolle zu verlieren, dann würde Angst eine krankmachende – pathologische – Funktion bekommen.

Was passiert, wenn Angst aus dem Ruder läuft?„Die Disposition zur Angst ist etwas ganz normales“, betont der Mediziner. Manche Menschen würden mehr zur Angst als andere. Dies habe hat mit der genetischen Veranlagung, aber auch mit Lernerfahrung zu tun.„Wenn allerdings etwas geschieht, dass die Fähigkeit des Menschen sich mit Angst auseinanderzusetzen überfordert, dann läuft das ganze aus dem Ruder.“