Chinas Außenhandel ist im Vergleich zum Vorjahr um mehr als zwölf Prozent eingebrochen. Foto: IMAGO/VCG/IMAGO

Während Deutschland seinen Umgang zur Volksrepublik neu ausrichtet, bricht in Peking der Außenhandel ein. Dies zeigt, wie sehr China von Europa abhängt.

Nicht zufällig hat die Bundesregierung ihre China-Strategie im Berliner Mercator Institute for China Studies (Merics) vorgestellt: Die Denkfabrik wurde vor gut zwei Jahren von der chinesischen Regierungen mit Sanktionen belegt, seither dürfen die Forscher nicht mehr in die Volksrepublik einreisen. Merics steht sinnbildlich für das schwierige Verhältnis zu China unter Staatschef Xi Jinping.

„China hat sich verändert, und deshalb muss sich auch unsere China-Politik verändern“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock am Donnerstagmittag. Die Phase der Merkel-Jahre, als Berlin fast nur auf die wirtschaftlichen Interessen deutscher Unternehmen geschaut hat, soll ad acta gelegt werden. China sei nicht mehr nur Partner, sondern zunehmend Wettbewerber – und vor allem systemischer Rivale.

Chinas Exportgeschäfte schwächeln

Die Botschaft wurde 8000 Kilometer östlich vernommen. In Peking ist das seit über einem Jahr geplante Papier der Bundesregierung ein oft debattiertes Thema. Wann immer in den letzten Monaten deutsche Delegationen die chinesische Hauptstadt besuchten, fragten sie nach dem Stand der China-Strategie. Um positiven Einfluss zu nehmen, wurde allen aus Deutschland angereisten Wirtschaftsvertretern und Politikern der rote Teppich ausgerollt: Der Zugang zu hochrangigen Gesprächspartnern war seit Jahren nicht mehr so gut, auch die Atmosphäre der Debatten betont herzlich.

Das hat mit der angespannten wirtschaftlichen Situation im Reich der Mitte zu tun. Europa ist für China der wichtigste Handelspartner, innerhalb der EU rangiert Deutschland klar auf der Spitzenposition. Da die Beziehungen zwischen Peking und Washington immer weiter eskalierten, will man es sich nicht noch mit den Europäern verscherzen.

Die am Donnerstag veröffentlichten Wirtschaftszahlen verdeutlichen den Ernst der Lage: Der Außenhandel ist im Vergleich zum Vorjahr um mehr als zwölf Prozent eingebrochen, die Lieferungen nach Deutschland sogar um 15 Prozent. Die chinesischen Exportunternehmen leiden unter der schwachen globalen Nachfrage, auch der Binnenkonsum schwächelt. Die erhoffte Wirtschaftserholung nach der Corona-Öffnung bleibt in China weitgehend aus.

Millionäre nehmen Reißaus

Die erratische sowie zunehmend ideologische Politik von Staatschef Xi Jinping hält mehr internationale Geldgeber fern. Laut der Analyse-Firma Rhodium verzeichnete China im ersten Jahresquartal lediglich 20 Milliarden Dollar an ausländischen Direktinvestitionen – 2022 waren es noch fünfmal so viel. Gleichzeitig verlassen die Superreichen das Land: Die US-Beratungsfirma Henley & Partners schätzt, dass im laufenden Kalenderjahr über 13 500 chinesische Millionäre ihrer Heimat den Rücken kehren werden.

Die chinesische Regierung hätte also gute Gründe, die von der deutschen Bundesregierung formulierte Kritik ernst zu nehmen. Doch will man sich nach außen keine Blöße geben. „Deutschland steht derzeit vor vielen Herausforderungen und es ist wichtig, die Ursachen anzugehen. Aber eines ist sicher: Keines der Probleme wird von China verursacht. Und eine Partnerschaft mit China ist Teil der Lösung“, kommentiert etwa Wang Lutong, Generaldirektor für europäische Angelegenheiten im Außenministerium.

In den nächsten Tagen dürften vermehrt nationalistische Töne des chinesischen Parteiapparats zu vernehmen sein. Auf den sozialen Medien, allen voran der Online-Plattform Weibo, reagiert der Internet-Mob mit Hohn und Hass auf die China-Strategie: Die deutschen Politiker werden etwa als „Hunde der Vereinigten Staaten“ diffamiert, andere rufen zum Boykott deutscher Autos auf.

Dabei fällt die China-Strategie diplomatischer aus als vorgesehen. Aussagen über Chinas militärische Gebaren gegenüber Taiwan oder Menschenrechtsverletzungen etwa wurden entschärft. Das hat nicht wenige enttäuscht. „Wieder einmal hat sich der Bundeskanzler von China und der deutschen Wirtschaft beeinflussen lassen. Olaf Scholz hat die China-Strategie aus dem Auswärtigen Amt weichgespült“, sagt Tenzyn Zöchbauer von der Tibet Initiative Deutschland.