Schon im Sommer 2021 hatten sich vor dem Bürgerbüro Mitte und der Ausländerbehörde lange Schlangen gebildet. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Arbeitsgruppe, die die Probleme in den Stuttgarter Bürgerbüros lösen soll, hat wieder getagt. Und sie hat sich einiges vorgenommen.

In den überlasteten Bürgerbüros will die Stuttgarter Verwaltungsspitze nun definitiv mit automatisierten Abhol- und Antragsterminals den Service für die Einwohner stärken und das Personal nach Möglichkeit entlasten. Das hat die Taskforce Bürgerbüros beschlossen. Das ist eine Arbeitsgruppe, die OB Frank Nopper (CDU) eingesetzt hat. In seiner jüngsten Sitzung hat sich das alle zwei Wochen tagende Gremium einiges vorgenommen – nachdem die CDU-Stadträte zuvor diverse Maßnahmen beantragt hatten.

Ausweise und Pässe aus dem Automaten Was auch immer aus den Überlegungen im Bundesinnenministerium werden sollte, dass die Bundesdruckerei künftig neue Pässe, Ausweise und Führerscheine direkt an die Inhaber verschicken soll – man werde auf jeden Fall ein Abhol- und Ausgabekonzept mit Terminals entwickeln und zunächst ein Pilotprojekt angehen, sagte der Erste Bürgermeister Fabian Mayer (CDU), der Leiter der Taskforce und zuständig für die Gesamtorganisation der Verwaltung. Er hatte zuvor noch dazu tendiert, einer Automatenlösung wie beispielsweise in Leonberg und Ludwigsburg dann näher zu treten, wenn sich der Direktversand durch die Bundesdruckerei zerschlagen sollte. Doch eine Nachfrage unserer Zeitung beim Bundesinnenministerium ergab, dass die zeitliche Perspektive unklar ist. Jetzt sagte Mayer unserer Zeitung, noch im ersten Halbjahr 2023 solle ein Terminal am Bürgerbüro Mitte im Eberhardzentrum errichtet werden. Bei guten Erfahrungen werde diese Lösung auch für die anderen Bürgerbüros in Betracht gezogen, obwohl es in vielen bereits einen mit Personal ausgestatteten Schalter für das Abholen von Ausweisen und Dokumenten gebe, zu dem man rasch durchgehen könne. „Das läuft auch gut“, berichtete Mayer.

Antragstellung ebenfalls am Automaten Mit Terminals, an denen Bürger Ausweise beantragen, biometrische Passfotos anfertigen und Fingerabdrücke abgeben können, wären wahrscheinlich noch mehr Einsparungseffekte beim Zeit- und Personalaufwand zu erreichen als mit den Abholterminals – denn die müssen von Mitarbeitern befüllt werden, zudem aus rechtlichen und Sicherheitsgründen unter Einhaltung des Vier-Augen-Prinzips. Daher meint der Taskforce-Chef, mit Antragsterminals seien „pro Antragsvorgang wahrscheinlich ein paar Minuten Personalaufwand zu sparen“. Deshalb sollen ebenfalls in der Stadtmitte möglichst noch im Januar 2023 zwei von der Bundesdruckerei zertifizierte Terminals aufgestellt werden. Erfahrungen damit hat man in Stuttgart schon: 2018 wurde so ein Terminal beim Bürgerbüro in Stuttgart-Ost in Betrieb genommen. Es sei später zwar kaputt gegangen, räumte Mayer ein, aber bis dahin habe es zur Zufriedenheit gearbeitet. Die Geräte der neuen Generation seien aber besser und weniger störanfällig. Wenn sich die Sache bewähre, werde man die Technik „vielleicht ausrollen auf alle Bürgerbüros“ in Stuttgart, wo es baulich möglich sei. Man wolle die Standorte rasch prüfen. Beim Gesamtpersonalrat freilich herrscht, wie die Personalvertretung unserer Zeitung deutlich machte, eine gewisse Skepsis: wegen der Störungsanfälligkeit. Außerdem räume das Antragsterminal den Personalaufwand und die Notwendigkeit, am Schalter zu bedienen, nicht völlig aus: An einem Schalter müsse sichergestellt werden, dass der draußen abgegebene Fingerabdruck nicht von einer anderen Person stamme. Die Personalvertreter setzen vor allem auf solche Digitalisierung, die dem Personal auch mobiles Arbeiten zu Hause erleichtert.

Ein virtuelles Bürgerbüro als Ziel? Die Taskforce träumt – auch wegen der Chancen für Homeoffice – von einem virtuellen Bürgerbüro, das die Bürgerschaft im weltweiten Netz in Anspruch nehmen könnte. So ein Pilotbüro will die Verwaltung nun anstreben, zunächst die nötigen Lizenzen und die Software beschaffen. Ziel sei es, sagte Mayer, dass sich die Antragsteller daheim am Monitor oder Display in einer Art Videokonferenz legitimieren könnten und sie dort auch die Gebühren bezahlen. Das könne man sich in etwa vorstellen wie das Videoident-Verfahren, das Online-Banken bei Kontoeröffnungen einsetzen. Die Taskforce möchte das virtuelle Bürgerbüro schon im ersten oder zweiten Quartal 2023 eröffnen – wenn es mit der Beschaffung von Lizenzen und Software klappt.

Schlüsselbereich Personalgewinnung Angefangen hat die Misere in den Bürgerbüros ja einmal mit dem Personalmangel: mit unbesetzten Stellen, mit Krankheitszeiten von Mitarbeitenden, mit unattraktiven Bedingungen und Verdienstmöglichkeiten. Die Coronapandemie riss dann noch mehr Lücken, und als sich im Frühjahr 2022 bei den Menschen wieder größere Reiselust regte, ließ das die Warteschlangen weiter wachsen – weil viele Reiselustige gerade auch für ihre Kinder neue Ausweise benötigten. Bürgermeister Mayer gibt zu: Die Gewinnung von zusätzlichem Personal bleibe ein Schlüssel zur Lösung der Probleme, denn „auch für Ausgabeterminals wird immer auch der Mensch gebraucht, allein schon zum Befüllen“. Doch trotz einiger Neueinstellungen habe man noch immer zu wenig Mitarbeitende, und die Einarbeitung dauert etwa ein halbes Jahr lang und bindet Ausbilder. Daher will die Taskforce das Ausbildungsbüro, das im Dezember interimsweise im Gebäude Eberhardstraße 39 eröffnet werden soll, möglichst noch schneller vergrößern als zunächst geplant. Bisher war vorgesehen, in der Interimslösung bei begrenzten räumlichen Möglichkeiten mit sechs Auszubildenden zu beginnen, im Jahr 2024 dann 18 Plätze anzubieten.

Die Personalräte hoffen, dass nach Sofortmaßnahmen der Taskforce wie Sitzgelegenheiten und Wasserausgabe für Wartende im Sommer nun die Arbeitskonditionen für das Personal stärker in den Fokus kommen. Da geht es um das Arbeitsumfeld ebenso wie um attraktivere Leistungen. Dieses Thema sei nicht nur für die Bürgerbüros wichtig, sondern für viele Bereiche mit Personalmangel. Dass OB Nopper ankündigte, er wolle dem Personal kostenlose Jobtickets bereitstellen, sei gut und könne helfen, Beschäftigte vom Abwandern abzuhalten.