Demirtas’ Kandidatur könnte die Wahl entscheidend beeinflussen. Foto: imago/Mehmet Masum Suer

Die 46-Jährige will im März bei den Kommunalwahlen in Istanbul als Kandidatin der Kurdenpartei antreten und Oberbürgermeisterin werden.

Basak Demirtas hat eigentlich genug um die Ohren. Die Lehrerin muss ihre zwei Töchter allein aufziehen und regelmäßig quer durch die Türkei reisen, um ihren Mann im Gefängnis zu besuchen. Trotzdem findet sie noch Zeit, die türkische Parteipolitik aufzumischen. Bei den Kommunalwahlen im März will sie als Bürgermeister-Kandidatin der Kurdenpartei in Istanbul antreten – an der Stelle ihres Ehemannes Selahattin Demirtas, des inhaftierten Ex-Chefs der Partei. Sollte sie antreten, sinken die Erfolgschancen von Amtsinhaber Ekrem Imamoglu, dem Hoffnungsträger der türkischen Opposition.

Die 46-Jährige aus dem kurdischen Diyarbakir ist seit mehr als 20 Jahren mit Selahattin Demirtas verheiratet, der die Kurdenpartei als Vorsitzender für linksliberale Wähler geöffnet und Rekordwahlergebnisse eingefahren hatte. Dieser Erfolg des heute 50-Jährigen ist laut Kritikern der Grund, warum Demirtas von der regierungstreuen Justiz im Jahr 2016 inhaftiert und trotz Anordnung des Europäischen Menschenrechtsgerichts bis heute nicht freigelassen wurde.

Ihr Mann sitzt im Gefängnis

Seitdem pendelt Basak Demirtas zwischen ihrer südostanatolischen Heimat und Edirne an der türkisch-bulgarischen Grenze im äußersten Nordwesten der Türkei, wo ihr Mann im Gefängnis sitzt. Selahattin Demirtas ist auch hinter Gittern ein einflussreicher Politiker geblieben: Viele Kurden verehren ihn nach wie vor. Basak Demirtas wurde mit den Jahren zur Sprecherin ihres Mannes. Als Selahattin Demirtas im Jahr 2018 aus der Zelle heraus für das türkische Präsidentenamt kandidierte, hielt er seine Wahlkampfrede über das Handy seiner Frau.

Eigene politische Ambitionen ließ Basak Demirtas nicht erkennen. Das änderte sich vor zehn Tagen, als sie nach einem Besuch bei ihrem Mann dem Journalisten Irfan Aktan sagte, sie erwäge eine Kandidatur für die Kurdenpartei DEM bei der Istanbuler Bürgermeisterwahl am 31. März, „wenn das Volk es will und die Partei zustimmt“.

Istanbuler Wahl hat landesweite Bedeutung

Wie Dynamit wirkte diese Ankündigung in der türkischen Parteipolitik. Basak Demirtas könnte die Istanbuler Wahl zwar nicht gewinnen – in einer Umfrage kam sie auf lediglich 4,4 Prozent der Stimmen –, potenziell wahlentscheidend wäre ihre Kandidatur aber trotzdem, sagte der Journalist Rusen Cakir im Internet-Fernsehsender Medyascope: Demirtas spreche Wählergruppen an, die für Bürgermeister Imamoglu unverzichtbar seien. Imamoglu war 2019 auch dank kurdischer und linker Wähler ins Amt gekommen. Sollte Basak Demirtas nun kandidieren, werde sie als Frau und als Gattin des nach wie vor sehr beliebten Selahattin Demirtas dem Bürgermeister Imamoglu „die Siegchancen ziemlich verhageln“, sagte Cakir.

Entsprechend sauer reagiert Imamoglus Partei CHP auf die Überlegungen von Basak Demirtas. Die Istanbuler Wahl hat landesweite Bedeutung, weil die Millionenmetropole die größte Stadt der Türkei ist und weil Imamoglu nach einem erneuten Wahlerfolg als künftiger Präsidentschaftskandidat und Herausforderer von Erdogan feststehen würde. Nun wird Basak Demirtas von CHP-Politikern beschuldigt, eine Geheimabsprache mit Erdogans Partei AKP getroffen zu haben, die als Gegenleistung ihren Mann freilassen wolle.

Der AKP-Kandidat in Istanbul, Murat Kurum, würde laut Umfragen gegen Imamoglu klar verlieren, wenn es am 31. März nur zwei Kandidaten geben sollte. Erdogans Partei freut sich deshalb über Demirtas. Der AKP-Parlamentsabgeordnete Galip Ensarioglu sagte dem Fernsehsender KRT-TV, sobald Basak Demirtas ihre Kandidatur offiziell erkläre, sei Imamoglu erledigt. Der DEM-Vorstand will bis zu diesem Freitag mitteilen, für welchen Istanbuler Kandidaten er sich entscheidet.