Das Jugendzentrum in Dresden (Code Unique Architekten GmbH): die ehemalige Trinitatis-Kirche sollte zu einem Ort für Jugendliche und junge Erwachsene werden. Foto: Callwey Verlag

Schlechte CO2-Bilanz, schlechtes Image – aber schönes Material: Der traditionsreiche Baustoff Beton hat immer noch Anhänger. Ein Bildband zeigt ausgezeichnete Bauten.

Beton ist bäh. Schließlich gehört die Betonindustrie zu den viel kritisierten Verursachern von Treibhausgasen, die die globale Erwärmung bewirken. Die Betonproduktion ist für etwa sechs bis neun Prozent aller menschengemachten CO2-Emissionen verantwortlich, was dem Drei- bis Vierfachen der Größenordnung des gesamten Luftverkehrs entspricht. Zudem wird das globale Vorkommen an geeignetem Sand wird vor allem durch die Betonherstellung immer knapper.

Fakten, die gerade hoch und runter gebetet werden, und die den Glauben an eine Zukunft von Beton wie mit einem Vorschlaghammer zerschlagen. Die Welt rümpft die Nase bei Beton, doch es gibt Anhänger des Materials, das stark ist, beständig, stilvoll und klar.

So bewertete im November bereits zum 22. Mal – und immer noch – die siebenköpfige interdisziplinär besetzte Jury den mit 25 000 Euro dotierten Architekturpreis Beton. Dabei vergab sie vier gleichrangige Preise und vier gleichrangige Anerkennungen. Zur Preisverleihung erschien vom Callwey Verlag eine Buchpublikation zum Architekturpreis Beton 2023.

Der Bildband „Beton“ zeigt auf das Schönste, was Beton alles kann. Und eben auch, dass er klimaschonend eingesetzt werden kann und muss. Denn auch die Jury stellt mittlerweile hohe Anforderungen an den traditionsreichen Baustoff: der Bestandsschutz spielt eine wesentliche Rolle, ebenso die klimaschonende Weiterentwicklung in der Herstellung – „Ressourcenminimierung und die Trennbarkeit der Materialien im Sinne einer Kreislaufwirtschaft sowie die Fortschritte beim Recycling und die Reduktion von Energie bei der Herstellung von Beton“, wie Susanne Wartzeck, Präsidentin des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten, in ihrem Grußwort zum Buch schreibt.

Beton kann betören

Die prämierten Projekte setzen „das Material auf dem Punkt ein“, schreibt Wartzeck: Beim Gymnasium Neustadt an der Waldnaab (Brückner & Brückner Architekten, Tirschenreuth/Würzburg) „wird das Erscheinungsbild des Bestandes aufgewertet, ohne das Material zu verleugnen, während „beim Kornversuchsspeicher in Berlin die minimierte Konstruktion des historischen Baus effektiv zur Geltung gebracht wird“ (AFF Architekten).

Der Gewerbebau Telegraph in Berlin ( &Mica GmbH)„ leistet eine Versöhnung zwischen Beton und Grün“, während die Leichtbetondecke über einer Tiefgaragenabfahrt in Nördlingen (Eigner Bauunternehmung GmbH) „als angewandte Forschung neue Erkenntnisse umsetzt“, so Wartzeck.

Eindrucksvolle Anerkennungen

Vielleicht am eindrucksvollsten sind aber zwei der vier Anerkennungen: Das Rathaus Korbach (ARGE agn Heimspiel Architekten). Der Neubau ist eine stimmige Ergänzung zum Rathaus von 1377, er greift die historischen Bauformen in Beton auf. Besonders hervorzuheben ist, dass durch Urban Mining Materialien vor Ort weiterverwendet wurden. Das heißt, beim Rückbau wurden die Materialien sortenrein getrennt und zu Recyclingbeton verarbeitet.

Ganz besonders sticht das Jugendzentrum in Dresden (Code Unique Architekten GmbH) ins Auge. Eine ehemalige Trinitatis-Kirche, 1891 bis 1894 von Karl Barth erbaut und im Zweiten Weltkrieg ausgebrannt – sollte zu einem Ort für Jugendliche und junge Erwachsene werden. Der materielle Kontrast zwischen Beton und dem ursprünglichen Ziegelmauerwerk im Inneren lässt die Eingriffe klar erkennbar erscheinen.

Der Eingriff ist sichtbar – aber gleichzeitig auch respektvoll, so bleibt etwa die Gestalt der Kirche in der Silhouette erhalten. Ein doppelseitiges Bild, das den multifunktionalen Zentralraum der neuen Jugendkirche zeigt, bildet in beeindruckender Art und Weise ab, wie im Raum die Proportionen des Kirchenschiffes aufgenommen werden und eine Sichtbetondecke auf Höhe der ursprünglichen Emporen ansetzt. Ein Raum im Raum, einer nicht weniger sakral wirkend als der andere. Beton kann betören.

Info

Das Buch
Beton. Architekturpreis Beton 2023, Oliver Herwig, 182 Seiten mit zahlreichen Fotografien, Callwey Verlag, 49,95 Euro.