Die Celekohr-Chefs Florian Kopp und Nikias Hess mit ihren Mitarbeitern Qaasim Qayum, Khoi Lam und Firmenmitbegründer Clemens Rieth (von links) vor ihrem Büro im AI xpress. Das Gebäude im Röhrer Weg in Böblingen bietet Büroflächen für KI-Start-ups. Foto: Eibner/Oliver Schmidt

Die Böblinger Florian Kopp und Clemens Rieth gründen mit ihrem Studienkollegen Nikias Hess eine Firma, die mittels Künstlicher Intelligenz aus 2D-Plänen dreidimensionale Modelle macht. Als ersten Kunden stehen bereits zahlreiche Energieberater Schlange.

Hausbesitzer kennen das Problem: Die neue Heizung ist eingebaut, die Energieberatung steht an. Wo war nochmal der Gebäudeplan? In einem verstaubten Karton findet sich eine handgezeichnete Skizze, gekritzelte Notizen an der Seite, scheinbar willkürliche Filzstiftstriche laufen quer über das Blatt, ein Kaffeefleck zieht sich von der Küche bis zum Hausflur. Na dann: Viel Spaß damit, mein lieber Herr Energieberater . . .

Für die arbeits- und zeitintensive Aufgabe, aus solchen Plänen sinnvolle Rückschlüsse für eine Energieberatung zu ziehen, hat ein junges Böblinger Start-up jetzt eine Lösung parat. Mittels Künstlicher Intelligenz (KI) wandelt die Software der Böblinger Celekohr GmbH zweidimensionale Pläne in vollautomatische 3D-Modelle um. Hinter diesem jungen Start-up mit Sitz im Böblinger AI xpress steht das Gründertrio Florian Kopp, Nikias Hess und Clemens Rieth. Wenn zwei der Namen für Böblinger Ohren vertraut klingen, ist das kein Zufall: Clemens ist Nachkomme der Hoteliersfamilie Rieth, Florians Vater ist der Architekt Wolfgang Kopp.

Die Evolution neuronaler Netze macht’s möglich

Der Clou hinter dem Geschäftsmodell der drei jungen Männer: Das Programm erkennt selbst bei noch so unübersichtlichen Vorlagen, wo auf einem Plan Türen, Fenster und Wände eingezeichnet sind. Dabei unterscheidet es sogar recht zuverlässig zwischen Innen- und Außenwänden.

„Wir bekommen oft die Frage, warum es das denn noch nicht schon länger gibt“, sagt Nikias Hess. Der Wirtschaftsinformatiker verweist dann auf die technische Entwicklung bei künstlichen neuronalen Netzen, die dem menschlichen Gehirn nachempfunden sind und für maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz eingesetzt werden. „In den vergangenen zehn Jahren hat sich da viel getan“, sagt der 31-Jährige. Deswegen seien Dinge möglich, die bisher undenkbar waren.

Um ihre Software „fit“ zu bekommen, haben die drei Entwickler die bildbearbeitende KI die vergangenen anderthalb Jahre lang „trainiert“. Sprich: Sie fütterten die Software mit einer Vielzahl an Gebäudeplänen und brachten ihr so bei, immer besser im Auswerten dieser Zeichnungen zu werden. Auch die drei Herren selbst haben sich mittlerweile ein enormes Fachwissen zu einem Thema angeeignet, mit dem noch vor wenigen Jahren keiner von ihnen etwas am Hut hatte.

Ausgangslage war eine Masterarbeit zum Thema Segeln

Noch kurioser ist, dass die Geschäftsidee des Böblinger Start-ups auf einer Masterarbeit über Segelsport basiert. „Ich wollt’ einfach segeln“, sagt Clemens Rieth grinsend, der Industriedesign an der Hochschule Pforzheim studiert hat. „Ich fand das cool und hab’ mir überlegt, wie kriege ich das in eine Masterarbeit rein“, erklärt der 33-Jährige, wie es dazu kam, dass er für seine Abschlussarbeit sogar mit dem Deutschen Olympiateam in Kiel segeln durfte. Tatsächlich war Rieths Ansatz gar nicht so weit hergeholt. In seinem Szenario ging es darum, wie auf einem Boot ein bestimmtes Bauteil kaputt geht und dann mittels elektronischer versandeter Daten im nächsten Hafen im 3D-Drucker ein Ersatzteil gefertigt wird.

Eine Grundfrage aus Rieths Masterarbeit war dabei, wie ein Designer mit dem Computer kommuniziert. Zeichnet man beispielsweise einen Stuhl auf ein Blatt Papier, kapiert ein Mensch sofort, wie dieser plastisch aussehen würde. „Aber wieso checkt der Computer das nicht?“, fragte sich Rieth, warum er eine Handzeichnung für den PC immer noch einmal extra neu zeichnen muss. „Da müsste man doch mal was erfinden“, dachte er sich.

Hier kamen Rieths Jugendfreund Florian Kopp und bald darauf auch Nikias Hess ins Spiel. Kopp ist Wirtschaftsingenieur im Bereich Elektrotechnik. Gemeinsam mit Hess hat der 33-Jährige in Konstanz studiert. Die jungen Gründer präsentierten ihre Idee für eine intelligente Software, die Planzeichnungen erkennen kann, bei der Hochschule in Pforzheim und sicherten sich damit zuerst einen und danach einen weiteren Förderzuschuss aus Landesmitteln. Als im Herbst 2022 in Böblingen das KI-Zentrum AI xpress entstand, holte der Compart-Gründer und Projektmitverantwortliche Harald Grumser das junge Start-up mit ins Boot.

Ein Energieberater erkennt das Potenzial der Software

Die jungen Männer halfen dort dabei, den „Maker Space“ als Prototypenwerkstatt für junge Menschen aufzubauen und durften im Gegenzug anfangs mietfrei als allerstes Start-up in das Gebäude einziehen. „Bei einer internen Runde mit anderen Start-ups habe ich dann unsere Geschäftsidee gepitcht“, erzählt Florian Kopp. In der Runde saß ein Energieberater, der sofort das Potenzial dieser Software erkannte. Zuvor hatten die Böblinger Gründer nämlich noch gar nicht genau gewusst, wofür genau sie ihre KI einsetzen würden. „Maschinenbau, Elektrotechnik, Design – es gibt da ganz viele Anwendungsmöglichkeiten“, sagt Kopp.

Mit dem Auswerten von Gebäudeplänen für ein vergleichsweise schmales Geld (64 Euro kostet ein 3D-Modell in einem Vorführbeispiel) hat Celekohr offenbar aufs richtige Pferd gesetzt: Schon jetzt würden Energieberater Schlange stehen, berichtet Kopp. „100 Anfragen haben wir auf der Warteliste“, ergänzt Hess. Zuletzt haben die drei sich deshalb zwei Mitarbeiter ins Boot geholt.

Hans-Ulrich Schmid, der neben dem Softwarezentrum auf der Hulb auch das AI xpress leitet, sagt dem jungen Unternehmen jedenfalls schon jetzt eine große Zukunft voraus.

Böblinger Forum für junge Gründer im Bereich Künstliche Intelligenz

AI xpress
Im Oktober 2021 wird auf dem Gelände des insolventen Anlagenbauers Eisenmann im Röherer Weg in Böblingen das Gründerzentrum AI xpress eröffnet. Der Ableger des Softwarezentrums Böblingen-Sindelfingen (SBS) ist Experimentierwerkstatt, Veranstaltungsraum und bietet Büroflächen für Start-ups im Bereich der Zukunftstechnologie Künstliche Intelligenz (auf Englisch: Artificial Intelligence oder AI).

Celekohr GmbH
 Der erste Teil des Firmennamens verweist auf die indonesische Insel Sulwawesi (früher Celebes), wo in einer Höhle die älteste Zeichnung der Menschheitsgeschichte gefunden wurde. Der zweite Namensteil setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Nachnamen des Gründertrios Kopp, Hess und Rieth zusammen.