Die Mauer wurde wohl in Eile während der chinesischen Jin-Dynastie als Schutz vor einfallenden Mongolen gebaut. Foto: tandfonline/Journal of Field Archaelogy//ideon Shelach-Lavi

Mit der berühmten Chinesischen Mauer konnte sich der Riesen-Wall in der Mongolei nicht messen. Dennoch waren ihre Dimensionen gigantisch. Forscher haben die mittelalterliche Anlage genauer untersucht.

Eine Studie versucht Licht auf einen in der Forschung lange wenig beachteten Erdwall an der Grenze der Mongolei zu China zu werfen. Der riesige Wall wurde wohl zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert angelegt. Doch zu welchem Zweck?

Ein internationales Forscherteam hat seine Erkenntnisse Ende Dezember im „Journal of Field Archaeology“ veröffentlicht – und gleich neue Fragen angeregt. Denn weiterhin bleibt vieles rätselhaft.

Im 11. bis 13. Jahrhundert errichtet

Relativ gesichert scheint den Archäologen zufolge zu sein, dass die Mauer aus Erde wohl in Eile während der Jin-Dynastie (1125-1234) errichtet wurde – als Schutz vor einfallenden Mongolen.

Demnach ist sie Teil eines großen Systems aus mehreren langen Mauern: Der fast vergessene Erdwall erstreckt sich insgesamt rund 1660 Kilometer von Nordchina über die östliche Mongolei entlang der Grenze bis in die Innere Mongolei, einer autonomen Provinz in China.

Die Strukturen des Erdwalls sind oft nur aus der Luft zu erkennen. Foto: tandfonline/Journal of Field Archaelogy/Gideon Shelach-Lavi

Kein Vergleich zur chinesischen Mauer

Die rund 7000 Kilometer lange Chinesische Mauer wurde während der Ming-Dynastie (1368–1644) im Norden Chinas errichtet. Foto: Imago/Xinhua

Das Forscherteam um Gideon Shelach-Lavi von der Hebrew University in Jerusalem untersuchte davon einen etwa 405 Kilometer langen Abschnitt im dünn besiedelten Osten der Mongolei. Es nannte ihn wegen dessen Form „Mongolian Arc“, den mongolischen Bogen. „Der mongolische Bogen ist trotz seiner Größe im akademischen Diskurs weitgehend übersehen worden“, heißt es in der Studie.

Mit der berühmten Großen Mauer in China, die aus mehreren Abschnitten besteht und jährlich an den restaurierten Teilen Millionen von Touristen anlockt, sei der mongolische Bogen aber nicht zu vergleichen – allein schon, weil er oft kaum auffällt.

Große Lücken im Wall

„Wir haben festgestellt, dass die Mauern bis zu einer Höhe von maximal 1 bis 1,5 Meter erhalten sind. Sie sind aber in der Regel viel stärker erodiert und daher kaum auf Bodenhöhe sichtbar.“ Daher nutzten die Forscher Drohnen, um die Strukturen aus der Luft besser nachweisen zu können.

Auffällig war, dass in dem untersuchten Teilstück des Erdwalls teils große Lücken klaffen. Manche haben einen Abstand von 300 Metern, die größte weist 17,9 Kilometer auf; im Durchschnitt sind die Lücken 2,7 Kilometer groß. Teils sei ersichtlich, dass die Mauer an den Stellen nie weitergebaut wurde. Das stützt den Forschern zufolge die These, dass die Mauer hastig errichtet wurde.

Anlage diente wohl nicht zur Verteidigung

Noch mehr Rätsel gaben den Wissenschaftlern 34 rechteckige Erdformationen in unmittelbarer Nähe zur Mauer auf, die von Gräben und Erdwällen umgeben waren. „In den Ecken und an den Wänden wurden Reste von Steinkonstruktionen gefunden, aber wir konnten keine spezifischen Strukturen innerhalb oder außerhalb der Formationen identifizieren“, schreiben die Forscher.

Denn der Zweck dieser Erdformationen ist unklar. Aus militärischer Sicht lagen sie ungünstig in flachen Gebieten. Daher vermuten die Experten, dass die Bauten nicht als Verteidigungsanlagen dienten. Die Menschen könnten sie einst zum Eintreiben von Zöllen oder zur Überwachung von Nomaden genutzt haben.

Sollten die Formationen dennoch zur Abwehr gebaut worden sein, könnte dies damit zu tun gehabt haben, dass es an diesen Stellen einfacher war, brauchbare Erde zum Bauen zu finden, mutmaßen die Forscher.

Bislang hatten sich nur wenige Studien mit dem untersuchten Erdwall beschäftigt. Die Wissenschaftler sehen ihre Ergebnisse deshalb zunächst nur als Annahmen, die in Zukunft noch geprüft werden müssen. Weitere Forschung vor Ort sei bereits in Planung.