Quelle: Unbekannt

Von Gerd Schneider

Früher hat man Häuser Häuser genannt, und wenn es sich um besonders große Exemplare handelte, sprach man von Mehrfamilienhäusern. Heute ist das anders. Was vier Wände und ein Dach hat, kommt in den Verkaufsprospekten als „Villa“ daher - mindestens. Hat der Bauherr Klinkersteine an die Fassade geklebt, wird daraus ein „Palais“. Und wenn im Umkreis von 500 Metern ein paar bucklige Bäume in der Gegend herumstehen, wird eine Häusergruppe unausweichlich als „Park“ tituliert.

Je einfallsloser die auf Rendite getrimmte Architektur, umso exaltierter der Name des Neubauprojekts. Wo man auch hinschaut, stößt man auf „Höfe“, „Tivolis“, „Campusse“, „Terrassen“, „Karrees“, „Residenzen“ und „Kolonnaden“. So protzt im westfälischen Münster ein Bauprojekt mit dem Namen „Urbanes Wohnen mit der Sonne“. Im sündteuren München findet sich an der Großvenediger-straße ein „Karree Monte Venezia“. Und im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen steht ein neues Mietshaus, das von seinem Besitzer - warum auch immer - „Hurry up, Marc!“ getauft wurde.

Und in Esslingen? Das prominenteste Beispiel für die Verbalakrobatik der Immobilienbranche findet sich in der Neuen Weststadt. „Lok.West“ heißt das Quartier auf dem Gelände des einstigen Güterbahnhofs. Selbstredend brauchen dort selbst die einzelnen Gebäude nicht anonym ihr Dasein fristen. Das erste Haus, das auf dem Gelände entsteht, hört auf den Namen „Béla“ - ein Anklang an den ungarischen Komponisten Béla Bartók, der mit Esslingen so viel zu tun hat wie Franz Liszt oder Giuseppe Verdi, nämlich nichts.

Dem jüngsten Gerücht zufolge soll, nicht zuletzt aus Gründen des Gleichlauts, ein gewisser Bela B. der Namenspatron für die nächste geplante Lok.West-Villa werden. Freunden des deutschen Liedguts ist Bela B. als Stehschlagzeuger des beliebten Musikensembles „Die Ärzte“ ein Begriff. Für die Namensfindung bei den weiteren Häusern würden wir dem Bauträger daher empfehlen, konsequent auf Titel aus dem reichen „Ärzte“-Œuvre zurückzugreifen. Hier drei Vorschläge zur Auswahl: „Claudia hat ’nen Schäferhund“, „Mach die Augen zu“ oder „Der Afro von Paul Breitner“. Wenn schon sinnfrei, dann richtig.