Tief hinunter und dann wieder hoch hinaus: Irmgard Ziehfreund (Mitte) und ihre Gruppe halten sich fit. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Claudia Bitzer

„Ingrid, du woisch! Ond du pasch m’r au uff, Herbert!“ Irmgard Ziehfreund kennt die Zipperlein ihrer Pappenheimer. Wenn man mal in einem bestimmten Alter ist und einem nichts weh tut, liegt man bekanntlich schon unter der Erde - und turnt nicht durch den großen Saal des Gemeindehauses auf dem Zollberg. Seit mehr als 40 Jahren leitet die mittlerweile 77-Jährige die Seniorengymnastik unter dem Dach der evangelischen Kirchengemeinde auf dem Zollberg. Es ist eine muntere Gruppe, die sich da jeden Mittwoch trifft und sich zu der Musik aus dem CD-Player fit hält. Mit gespreizten Beinen da stehen und sich mit der Hand an den gegenüberliegenden Zehen greifen ist noch für alle machbar. Sich durch die Beine hindurch hinten an die Fersen zu fassen ist schwieriger. „Jeder macht hier nur soviel, wie er kann“, warnt Irmgard Ziehfreund ihre Schäflein vor zu viel Ehrgeiz. Deren Leistungsvermögen ist allerdings noch beachtlich. Schließlich sind sie ja auch trainiert. „Meine Reaktion ist besser geworden“, berichtet zum Beispiel Edith Müller (82). 33 Namen stehen auf der Teilnehmerliste von Ziehfreund. Im Schnitt kommen jedes Mal zwischen 23 bis 25 Bewegungslustige zwischen 66 und 90 Jahren.

Und weil man sich ja schließlich kennt, beginnt das gemeinsame Turnen jedes Mal mit einem Stuhlkreis, in dem man alle wichtigen Dinge bespricht. Zum Beispiel, ob jemand krank geworden ist. Selbstredend gibt es dann ein Genesungskärtle. Auch der Geburtstag wird nie vergessen. Und drei Mal im Jahr wird der Ferienbeginn mit einer Kaffee- statt Turnstunde gefeiert.

Auch wenn der Rücken manchmal nicht mehr so will und sie mittlerweile Alfred Hauns die Aufwärmrunden überlässt, hält die ehemalige Festo-Betriebsratsvorsitzende die Zügel fest in der Hand. „Als ich vor mehr als 40 Jahren mit der Seniorengymnastik angefangen habe, hat man mir zwei Jahre gegeben“, erzählt Ziehfreund, die auch lange Jahre eine Hausfrauenturngruppe geleitet hat und nach wie vor in der Diakonischen Initiative Zollberg ehrenamtlich engagiert ist. Sie hat die entsprechenden Übungsleiterscheine gemacht. Und es wird nie langweilig mit ihr, berichten die Kursteilnehmer über ein abwechslungsreiches Programm, bei dem mal ein Kirschkernkisschen, mal das Theraband, mal ein Handtuch und sehr oft der Stuhl eine große Rolle spielen.

Am Anfang waren es nur Damen, die sich zur gemeinsamen Ertüchtigung zusammengefunden hatten, mittlerweile sind auch Männer dabei. Zum Beispiel Herbert Brasse (68), der auf Anregung seiner Frau Ingrid - mit 66 Jahren die Jüngste in der Riege - gefolgt ist. Beide wohnen mittlerweile in Nellingen, ebenso wie Hedi Schaub, die mit ihrem Mann lange Jahre die Hausmeisterdienste an der Zollberg-Realschule verrichtet hat. Sie kommen trotzdem. „Man tut was und die Gruppe macht Spaß“, sagt Brasse.

Mit 30 Jahren bringt die 80-jährige Charlotte Smieszkol nach Leiterin Ziehfreund die längste Gruppenzugehörigkeit mit. „Am Anfang kannte ich hier im Stadtteil niemanden, mittlerweile kenne ich dank der Gruppe den halben Zollberg.“ Und Manfred Trause ist mit 90 Lenzen derzeit der älteste Teilnehmer. Eines beschäftigt die Gruppe allerdings schon: Wo kann sie sich künftig fit halten, wenn die Kirche den großen Saal unter dem Kindergarten aufgibt und sich das Gemeindeleben künftig unter der Christuskirche abspielen soll? Wird sie dort genug Bewegungsfreiheit haben?