Spannende Tage: Andreas Beck fühlt sich an der alten, neuen Wirkungsstätte sichtlich wohl. Foto: dpa - dpa

Von Sigor Paesler

Stuttgart – Keine Frage, durch die Rückkehr von Andreas Beck hat der VfB Stuttgart eine starke Persönlichkeit mehr im Kader. So offen, so emotional, so reflektiert, so ausführlich hat man schon lange keinen mehr reden hören beim schwäbischen Fußball-Bundesligisten. Vielleicht noch Kapitän Christian Gentner. Kapitän war Beck auch mal, bei 1899 Hoffenheim, wohin er im Sommer 2008 von Stuttgart aus wechselte. Jetzt ist er wieder da. Für zwei Millionen Euro hat der VfB den mittlerweile 30-jährigen Rechtsverteidiger von Besiktas Istanbul zurückgeholt. Beck berichtet mit leuchtenden Augen, dass er vor drei Tagen noch nicht daran gedacht hatte, „dass ich jetzt hier sitze“.

Mehrere Minuten nimmt sich Beck alleine dafür Zeit, um zu berichten, wie es zu dem Transfer kam: Am Dienstag ein Anruf von seinem Bruder und Berater Arthur Beck kurz nach dem Türkisch-Unterricht, zehn Minuten Zeit, um sich mit seiner Frau zu beraten, die gerade einen neuen Babywagen einkaufen ist ( „fünf Minuten davon hat sie erzählt, wie gut der neue Wagen ist“ ), dann das erste Telefonat mit VfB-Sportvorstand Michael Reschke. Eine erste, ausführliche SMS von Stuttgarts Trainer Hannes Wolf. Verhandlungen mit dem VfB, mit Besiktas, zwischen dem VfB und Besiktas, Flug nach Stuttgart, Koffer ins Hotel, erstes Training. Pressegespräch.

„Ich bin ein Stuttgarter Junge“

„Es hat sich einiges hier getan, aber auch nicht so viel“, erzählt der Blondschopf nun, der seit seinem zwölften Lebensjahr beim VfB gekickt hat und mit der Mannschaft 2007 Meister wurde. Gemeinsam mit Gentner. „Da waren schon einige Gefühle dabei“, erzählt er über den Gedankenprozess, der zu dem schnellen Wechsel geführt hat. Zu keinem anderen Verein wäre er gegangen, betont er. Hier ist er aufgewachsen, hier hat er das Abitur gemacht, hier ist er Profi geworden, hier hat er vor gut einem Jahr geheiratet, hier ist Heimat, zählt der im russischen Kemerowo geborene neunfache deutsche Nationalspieler auf. „Ich bin ein Stuttgarter Junge.“

In Istanbul, das stellt er mehrfach klar, habe er sich mit seiner kleinen Familie in den vergangenen zwei Jahren sehr wohlgefühlt. Eine bemerkenswerte Aussage in diesen Tagen. Natürlich habe er sich Gedanken über die Sicherheit gemacht, wenn es wieder einen Anschlag gab. Etwa vor dem Besiktas-Stadion, wo er kurz zuvor gespielt hatte. Oder in dem Club Reina, wo er schon zu einer Mannschaftsfeier war. „Aber in der selben Zeit ist auch in München und Berlin etwas passiert. Es sind unruhige Zeiten“, sagt Beck. „Ich habe nie gedacht: Wir müssen hier raus.“ Für ihn überwiegen die positiven Eindrücke und Erlebnisse. Der „gelbe Adler“, wie ihn die Besiktas-Fans nannten, fühlte sich in Istanbul mit offenen Armen empfangen. Er empfand viel Wertschätzung. Und er schätzt die Menschen dort wert. Auch die Art, wie sie mit der Terrorgefahr umgehen: „Sie sind sehr pragmatisch. Es wird getrauert, es wird geweint, intensiv geweint. Und dann versucht man, wieder zur Tagesordnung überzugehen.“ Auch schätzt er die Erfahrung, wie es ist, neu in ein fremdes Land zu kommen. „Ich war dort der Ausländer, der die Sprache nicht konnte“, berichtet er. „Ich kann mich in die hineinfühlen, die nun hier neu sind.“ Davon gibt es beim VfB einige.

Er habe sich auf die Türkei „komplett eingelassen“, erzählt Beck, der sich selbst als „24/7-Profi“ bezeichnet. Zwei Mal ist er mit Besiktas Meister geworden. Ebenso will er sich nun auf die Aufgabe in Stuttgart einlassen. „Ich komme hierher und bin immer noch ein Schüler, und kann trotzdem das einfließen lassen, was ich kann“, sagt er. Wolfs Spielphilosophie ist eine ganz andere, wie er sie in Istanbul in den vergangenen beiden Jahren erlebt und umgesetzt hat. Weniger individuelle Stärke, mehr Teamgedanke. Weniger Kontrolle und Ballbesitz, mehr Tempofußball.

Beck gefällt das. Denn vor allem ist er ja nach Stuttgart zurückgekehrt, um hier Fußball zu spielen. Er weiß, dass die Erwartungen an ihn hoch sind. Und dass er sich dem Konkurrenzkampf stellen muss. Immerhin ist er „gut im Saft“, wie er selbst sagt. Denn die Saison in der Türkei läuft ebenfalls bereits und er hat alle bisherigen vier Spiele für Besiktas bestritten.

Beck haben die Stuttgarter Fans aus seiner früheren Zeit auf dem Wasen als bemerkenswerten Profi in Erinnerung. Der belesene Saab-Fahrer war er damals. Einer, dessen Horizont weit über die Auslinie hinausgeht. Er hat sich nicht verändert, nur reifer und erfahrener ist er geworden.

Den alten Saab 900 Turbo gibt es übrigens noch. In Hoffenheim hatte er ihn dabei, immer noch mit Stuttgarter Kennzeichen. Zuletzt stand er mit einem Motorschaden in der Garage bei seinen Eltern in Wasseralfingen. Genau rechtzeitig hat ihn sein Vater repariert, erzählt Beck noch beim Verlassen des Presseraums. Ein warmes Lächeln, ein Händedruck und zurück in den Kabinentrakt, die neuen Mannschaftskameraden näher kennenlernen. Andreas Beck ist wieder da.