Haben Daniel Ginczek, Mario Gomez und Berkay Özcan Foto: dpa - dpa

Schafft es der VfB Stuttgart, gegen Gladbach einen Stimmungsumschwung zu vollziehen – nach den aufwühlenden Tagen nach dem Trainerwechsel?

Stuttgart - Mehr als 52 000 Besucher haben sich angekündigt. Das Stadion wird also wieder sehr gut gefüllt sein, aber auch voll gepackt mit Erwartungen. Denn die allermeisten Zuschauer kommen ja, um den VfB Stuttgart in der Mercedes-Benz-Arena siegen zu sehen. Doch sie kommen am Sonntag (15.30 Uhr) gegen Borussia Mönchengladbach ebenso, um mitzuerleben, ob es ihr Herzensclub schafft, einen Stimmungsumschwung zu vollziehen – nach den aufwühlenden Tagen aufgrund des Trainerwechsels.

Anzeichen einer Beruhigung gibt es, nachdem der erste Sturm der Empörung über Tayfun Korkut hinweggefegt ist, die Mannschaft vor einer Woche unter dem neuen Coach 1:1 in Wolfsburg gespielt hat und zumindest die Optimisten unter den VfB-Anhängern nun hoffen dürfen, dass sich aus dieser guten zweiten Hälfte ein schwäbischer Angriffswirbel entwickelt – mit Mario Gomez und Daniel Ginczek.

Diese beiden Spieler verkörpern mehr als alle anderen die Offensivkraft, die sich viele Beobachter auch – oder gerade – im Kampf um den Klassenverbleib in der Fußball-Bundesliga wünschen. Der ersehnte Zwei-Hünen-Sturm (zuvor mit Simon Terodde) steht aber ebenso stellvertretend für den vermeintlichen Mut eines Trainers in seinen Aufstellungen. Weshalb Hannes Wolf zum Ende seiner Amtszeit immer häufiger eine ängstliche Haltung unterstellt wurde. Er sah in Ginczek zwar einen Mann, der Spiele entscheidet, aber erst ab der 60. Minute. Und Korkut?

„Die Zahl der Stürmer auf dem Platz wird gerne mit der Zahl der erzielten Tore in Verbindung gebracht“, sagt der Trainer. Doch so einfach ist die Rechnung für ihn nicht: „Mehr Stürmer bedeuten nicht zwangsläufig mehr Tore.“ Dennoch bleibt abzuwarten, ob Korkut den Schwung aus Wolfsburg mit dem G-und-G-Sturm mitnehmen will. Wenn nicht jetzt, wann dann? Denken sich viele. Ein Heimspiel, ein Neustart und ein angeschlagener Gegner – das könnte der Moment für ein Statement sein: Der VfB geht ab.

Doch Korkut ist nicht bekannt dafür, dass er sich bei seinen Entscheidungen von Emotionen leiten lässt. Der 43-Jährige ist auch nicht bekannt dafür, einen Abenteuerfußball à la Alexander Zorniger spielen zu lassen. Bayer Leverkusen verpflichtete ihn unter anderem deshalb, weil er die Zeit nach der wilden Roger-Schmidt-Ära beruhigen sollte. In Hannover fiel die Wahl auf den damaligen Bundesliganovizen, weil der von Mirko Slomka geforderte Konterfußball in einer Sackgasse zu enden drohte. Und beim 1. FC Kaiserslautern ging es darum, überhaupt Struktur in die Reihen zu bekommen.

Spanische Schule

Geprägt von der spanischen Schule ist Korkuts Spielidee. Beeinflusst auch von großen Trainern wie Joachim Löw, Carlos Alberto Parreira und vor allem Vicente del Bosque, dem schnauzbärtigen Coach, der mit Spanien die Welt- und Europameisterschaft gewonnen hat. Mit ihnen hat der frühere Nationalspieler der Türkei (42 Einsätze) zusammengearbeitet. Also: Ballbesitz? Ja. Aktiv sein? Klar. Angreifen? Auf jeden Fall. Aber nicht ohne Sicherungen in das Stuttgarter Spiel einzubauen. „Wir müssen einen passenden Mix zwischen nötiger Aggressivität und gutem Fußball hinbekommen“, sagt Korkut.

Aus einer möglichst stabilen Grundordnung soll sich der Spielfluss entwickeln, der in den gegnerischen Strafraum führt und in Torchancen mündet. „Ich bin kein Freund davon, ständig das System zu wechseln“, sagt Korkut. Er will, dass die Spieler ihre Pflichten genau kennen, die sie in der Defensive zu erfüllen haben, aber ebenso die Freiheiten genießen, die er ihnen in der Offensive einräumt. „Wir brauchen Frechheit und Kreativität, um Überraschungsmomente in unseren Aktionen zu haben“, sagt Korkut und hofft auf den Heimeffekt.

Der kann einen Extraschub geben, wenn sich auf dem Rasen zeigt, was der neue Trainer zu vermitteln versucht: „Das ist unser Platz.“ Die Stimmung der Kundschaft kann aber auch schnell kippen, da gegen die Fohlenelf vom Niederrhein nicht nur sportlich viel auf dem Spiel steht. Sondern ebenso atmosphärisch. Denn der erste Auftritt Korkuts im Stuttgarter Stadion ist auch ein Seismograf dafür, wie die Clubführung wahrgenommen wird. Verliert der VfB, spüren der Präsident Wolfgang Dietrich sowie der Sportchef Michael Reschke weitere Erschütterungen, sobald sie das Vereinsgebäude verlassen. Gewinnt der VfB aber, beruhigt sich das Fanbeben.