Timo Werner läuft in dieser Szene Timo Baumgartl davon. Ansonsten agiert der RB-Stürmer im Spiel gegen seinen Ex-Club unauffällig. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Lars Müller-Appenzeller

Leipzig - Das allererste Mal ist etwas ganz Besonderes. Vor allem, wenn die Gegensätze vermeintlich so groß sind, Tradition auf aufbrausenden Emporkömmling trifft. Das Gastspiel des VfB Stuttgart bei RB Leipzig war das erste Duell der beiden Clubs in der Bundesliga. Es war auch das erste Spiel von Timo Werner gegen seinen Heimatclub. Die 4500 VfB-Fans bedachten ihren einstigen Liebling bei jeder Gelegenheit mit Pfiffen, schickten vor dem Anpfiff per Plakat schöne Grüße an die Gastgeber: „Eine stolze Kurve voller Geschichte.“ Dabei war das Spiel das beste Beispiel für die großen Gemeinsamkeiten, die die scheinbar so gegensätzlichen Vereine haben.

Leipzig ist eine stolze Stadt, voller Geschichte. Zu sehen etwa in der Gedenkstätte der „Runden Ecke“ zum Thema Stasi, bewiesen mit den legendären Montagsdemonstrationen. Und Leipzig ist höflich. Praktiziert von RB - für die Gästefans wurde die VfB-Hymne über die Stadionlautsprecher gespielt. Beim Gedanken an die personellen Verbindungen zu den Leipzigern werden die Stuttgarter Fans schwermütig - es ist ähnlich wie beim ungeliebten Nachbarn 1899 Hoffenheim: Viele Spieler und Funktionäre des Gegners sind bei den Schwaben groß geworden. Die Profis Werner, Marvin Compper und Philipp Köhn, zudem Sportdirektor Ralf Rangnick. Und Thomas Albeck - der Chef des RB-Nachwuchsleistungszentrums ist vergangene Woche überraschend mit 61 Jahren gestorben.

Bewegende Worte

Rangnick erinnerte vor dem Anpfiff über das Stadionmikrofon an Albeck, der von 1999 bis 2012 beim VfB als Jugendkoordinator gearbeitet hatte. Auch RB-Nachwuchsleiter Frieder Schrof griff zum Mikrofon - er war 2013 mit Albeck vom VfB zu den Roten Bullen gewechselt. Rangnicks und Schrofs Worte bewegten, Albeck steht stellvertretend für eine besondere (Ver-)Bindung zwischen VfB und RB. Im Stadion applaudierten für Albeck 42 558 Zuschauer, nicht aus zwei Vereinen, sondern aus einer Fußball-Familie. Und beide Teams spielten mit Trauerflor - wenngleich man bei den VfBlern genau hinschauen musste, da die Feldspieler mit schwarzen Trikots aufgelaufen waren.

Was den VfB und RB auf dem Platz verbindet: Fußball mit viel PS - Stuttgart und Leipzig sind Porsche-Standorte. Hochtouriger jagen derzeit freilich die Leipziger über den Platz. Allen voran Werner. In 38 Spielen für Leipzig erzielte der Turbostürmer 26 Tore - doppelt so viele wie in 95 Spielen für den VfB, den er nach dem Abstieg 2016 für zehn Millionen Euro verlassen hatte. Gegen den VfB blieb er bei seiner Rückkehr in die Startelf nach drei Wochen Wettkampfpause blass und ohne Tor, steuerte aber die Vorlage auf Siegtorschütze Marcel Sabitzer bei. Nach 61 Minuten wurde der 21-Jährige gebürtige Stuttgarter ausgewechselt - und von den VfB-Fans ausgepfiffen. Werner herzte nach dem Abpfiff alle VfB-Mitarbeiter, schwieg aber auf dem Weg in die Kabine, gab keine Interviews. Nach seinem allerersten Mal gegen seinen Herzensclub musste er auch nichts sagen. Das Spiel und seine Vorgeschichte sagen alles: Traditionsclub? Plastikclub? Egal, die Menschen, die Bundesliga-Vereine lebendig machen, kommen aus einer Fußball-Familie.