Für Holger Badstuber ist die Zeit für Erklärungen vorbei. Foto: dpa - dpa

Im Heimspiel gegen Nürnberg steht für den VfB viel auf dem Spiel. Die Zeit für Erklärungen muss jetzt vorbei sein, sagt Holger Badstuber. Und fordert neun Punkte aus drei Spielen.

Stuttgart Man will sich ja nicht vorwerfen lassen, man hätte nicht auf alles geachtet in der Spielvorbereitung. Also stimmte Tim Walter, der Trainer des VfB Stuttgart, seine Mannschaft auf die ungewohnte Anstoßzeit am Montag (20.30 Uhr) entsprechend ein – mit einem Training am Sonntagabend. Zum letzten Heimspiel des Jahres ist der 1. FC Nürnberg zu Gast. Dem Club geht es nicht gut, die Nürnberger stehen auf Platz 16, kürzlich wurde ein Trainerwechsel vollzogen, die Fanseele kocht. Klingt nicht gut – aber geht’s dem VfB derzeit besser?

Tabellarisch natürlich, die Stuttgarter können schon mit einem Unentschieden gegen die Franken Platz drei zurückerobern. Aber sonst? Gibt es derzeit mehr Fragezeichen als Klarheit?

Fünf Niederlagen kassierte das Team mit dem „besten Kader der zweiten Liga“ (Jens Keller) in den vergangenen sieben Ligaspielen. Arminia Bielefeld, am achten Spieltag noch fünf Punkte hinter dem VfB platziert, ist als Spitzenreiter nun sieben Punkte voraus. Walters Team kommt nicht mehr ins Rollen und schafft sich immer wieder neue Baustellen – weshalb die Partie gegen den Club und die folgenden beiden Spiele bis Weihnachten vor allem eines sind: eine Frage der Überzeugung.

Harmonie mit den Vorgesetzten

Einerseits geht es um die Beziehung zwischen Trainer und Mannschaft, beziehungsweise um die Frage: Vertraut das Team nach wie vor darauf, mit den vom Coach vorgegebenen Ideen das große Ziel erreichen zu können? „Es passt“, sagt der wiedergenesene Daniel Didavi zum Zusammenspiel mit dem Vorgesetzten, der es so sieht: „Wir haben eine gute Harmonie und eine sehr gute Zusammenarbeit.“ Aber es gibt auch Spieler, die mit der in der Vergangenheit meist positiven Interpretation von schlechten Ergebnissen nichts mehr anfangen können.

Holger Badstuber, der erfahrene Abwehrspieler, postete in der vergangenen Woche: „Die Zeit der Erklärungen muss vorbei sein. Jetzt muss in den nächsten drei Spielen die Zeit der maximalen Punkte kommen.“ Nach der Partie gegen den 1. FC Nürnberg spielt der VfB auswärts gegen den SV Darmstadt 98 und Hannover 96.

Spätestens nach der Partie in Niedersachsen wird auch die Sportliche Leitung des VfB wieder die Köpfe zusammenstecken, Bilanz ziehen des ersten halben Jahres mit Tim Walter und einen Ausblick wagen auf den weiteren Saisonverlauf. Auch dann wird es um die Frage gehen: Ist die im Sommer eingeschlagene Richtung nach wie vor die richtige? Auch wenn sich der VfB für seinen sportlichen Neuanfang Zeit und Geduld verordnet hat, ist klar: Das Ziel Aufstieg darf nicht verpasst werden. Allein das Beispiel des kommenden Gegners aus Nürnberg zeigt, wie groß der Substanzverlust eines Traditionsvereins werden kann, wenn aus einem Jahr in Liga zwei immer wieder mehrere werden. Und die Zahl der verkraftbaren Niederlagen in einer Aufstiegssaison hat der VfB bereits so gut wie erreicht.

Der Ernst der Lage wurde von Sportdirektor Sven Mislintat und dem Vorstandsvorsitzenden Thomas Hitzlsperger schon des Öfteren erörtert, erst vergangene Woche hat der VfB-AG-Chef eine geplante Bildungsreise in die USA abgesagt, um die kritische Lage in Stuttgart zu begleiten. Auch Tim Walter berichtete von emotionalen Diskussionen. Immerhin hat der Coach seine zu Beginn bedingungslose Offensividee mit zahlreichen Positionswechseln schon angepasst – wohl mehr, als er das eigentlich vorgehabt hatte. „Wer mich holt, weiß, was er bekommt“, hatte Walter zu Saisonbeginn immer wieder erklärt – und bezog das einerseits auf seine Art, Fußball spielen zu lassen, andererseits auf seinen forschen und selbstbewussten Charakter. Nach der fünften Niederlage im siebten Spiel wirkte er zuletzt etwas heruntergedimmt und meinte: „Ich wäre ein schlechter Trainer, wenn ich mich nicht jeden Tag weiterentwickeln würde.“ Plötzlich ist man am „Ausloten“, mit welcher Art, in ein Spiel zu gehen, die Mannschaft besser zurechtkomme. Allerdings betont der 44-Jährige auch immer wieder, dass er sich und seinem Weg am Ende auch treu bleiben will und muss.

Insgesamt, das analysierte Sven Mislintat zuletzt, sei der VfB trotz der schwachen Ergebnisse vor allem defensiv stabiler geworden im Lauf der Hinrunde – und habe dennoch weiterhin viel Ballbesitz und zahlreiche Torchancen. Dafür schienen ein Stück weit die Leidenschaft und der notwendige Punch abhandengekommen zu sein. Und auch der Sportdirektor hat erkannt, dass es auf Strecke nicht nur mit Pech zu tun hat, wenn wenig Treffer erzielt werden und Spiele verloren gehen. Muss also weiter angepasst werden? Muss gar der komplette Kurs – sportlich und personell – korrigiert werden? Oder sind Spielidee, Trainer und Kader in Summe doch zukunfts- und aufstiegsfähig? Schon die Partie an diesem Montag gegen den 1. FC Nürnberg gibt einen weiteren Hinweis.