Thomas Hitzlsperger (Mitte) und die VfB-Profis kühlen sich ab. Foto: Baumann - Baumann

Die Ergebnisse stimmen, die Stimmung passt, der Eifer ist groß. Und doch ist der VfB Stuttgart erst am Beginn eines langen Weges – und die sportliche Leitung weiter voll gefordert.

KitzbühelEs fühlt sich gut an. Das hat auch Thomas Hitzlsperger nach seiner Ankunft im Trainingslager des VfB Stuttgart recht schnell gespürt. Doch der Sportchef des Fußball-Zweitligisten ist nach erst zehn Tagen der Saisonvorbereitung weit entfernt davon, den positiven Eindruck von Kitzbühel überzubewerten. Dafür ist noch zu viel in Bewegung beim VfB. Dennoch gibt sich Hitzlsperger, der die wenigen Kilometer vom Mannschaftshotel zum Trainingsplatz auf dem Fahrrad zurückgelegt hat, entspannt. Ein Überblick über seine Arbeitsfelder.

Kaderplanung: Hitzlsperger orientiert sich an einer Kaderstärke von 22 Profis plus drei Talenten. Doch dogmatisch sieht der Manager die Spielerzahl nicht. Er spricht ohnehin lieber über die Qualität der Spieler als über deren Quantität. Ein offensichtliches Defizit gibt es allerdings auf der Position des rechten Verteidigers. Pascal Stenzel ist dafür vorgesehen, und zuletzt versuchte sich zweimal Erik Thommy. „Wir denken darüber nach, wie wir diese Position besetzen“, sagt Hitzlsperger, da Thommy eher ein Offensivspieler ist.

Im Sturm ist sich der VfB mit Sasa Kalajdzic einig. Noch wird aber über die Ablösemodalitäten verhandelt. „Fakt ist, dass wir aktuell mit niemandem eine Vereinbarung über einen möglichen Transfer getroffen haben und keine Verträge unterzeichnet wurden“, sagt Amir Shapourzadeh, der Manager von Admira Wacker Mödling, wo der 21-jährige Österreicher noch bis 2020 unter Vertrag steht. Kalajdzic will jedoch zum VfB – und ist der Wechsel perfekt, werden die Stuttgarter wohl noch einen Angreifer abgeben. Anastasios Donis wäre ein Kandidat. „Im Moment gibt es aber keinen Grund, über ihn zu diskutieren“, sagt Hitzlsperger, der die Personalplanungen mit Sportdirektor Sven Mislintat vorantreibt. Donis hat das Training nach Länderspielen und Urlaub nun aufgenommen – und die Transferperiode geht noch lange (bis Ende August).

Mentalität: Mit 4:1 hat der VfB am Mittwoch das Testspiel gegen Wacker Innsbruck gewonnen – und Hitzlsperger betonte, dass für ihn jeder Sieg zählt. Selbst wenn er in der Vorbereitung bei heißen Temperaturen gegen einen mäßigen österreichischen Zweitligisten erzielt wird. „Wir wollen eine Gewinner-Mentalität in der Mannschaft haben“, sagt der Manager. Zu jeder Zeit.

So tickt auch Tim Walter. Jede Übung, jede Spielform steht bei dem neuen Trainer unter Wettbewerbscharakter – was die Verlierer dann immer gleich zu spüren bekommen. Sie müssen Purzelbäume schlagen, sich auf den Hintern schießen lassen, nach zehn Umkreisungen des Balles einen Elfmeter verwandeln oder dem Siegerteam das Abendessen servieren.

Die Lachmuskeln kommen also bei aller Ernsthaftigkeit nicht zu kurz. Wichtig ist dem Trainer aber vor allem, dass die Spieler während der intensiven Einheiten und im Spiel an ihre Grenzen gehen. Wie Atakan Karazor, der gegen Wacker Innsbruck als Einziger durchspielte. Der von Holstein Kiel gekommene Mittelfeldmann gefiel. „Wir haben jetzt einige Spieler, die in ihren Karrieren Dreck fressen mussten“, sagt Hitzlsperger über die Neuen, die über den harten Weg in die Bundesliga kommen wollen. Der nächste Belastungstest steht an diesem Samstag (15.30 Uhr) in Fügen an, wenn der VfB gegen die Schweizer von Young Boys Bern ein Freundschaftsspiel bestreitet.

Trainer: Alles, was Hitzlsperger bisher über Tim Walter hört und von ihm sieht, überrascht ihn nicht. „Er geht an die Sache ran, wie wir es erwartet haben“, sagt der Sportchef. Selbstbewusst im Auftreten, überzeugt von der Sache. Walter vermittelt den Spielern sehr deutlich, wie er sich den Lauf der Kugel vorstellt. In der persönlichen Ansprache, mit starker Gestik am Spielfeldrand und mit Videoanalysen direkt auf dem Trainingsgelände. Walter schaut sich die Szenen selbst kurz an und lässt sie sich umgehend zusammenschneiden, um die Spieler zu schulen.

Sehr fordernd ist der Trainer. Denn offensiv und kreativ mit Ball soll der neue Spielstil sein – ohne jedoch die Absicherung in den defensiven Räumen zu vernachlässigen. „Er investiert auch sehr viel in seine Arbeit“, sagt Hitzlsperger. Und bisher kommt das gut an, da die Spieler merken, dass ein völlig frischer Wind weht. Manchmal bläst dieser ihnen auch direkt ins Gesicht. Wobei Walter da keinen Unterschied im Umgang mit den alten und jungen Spielern macht. Die Rückmeldung kommt direkt und klar.

Stimmung: Am Donnerstagnachmittag ist der VfB nicht auf den Platz gegangen, sondern ins Wasser gestiegen. Eine Raftingtour stand an. Spannung und Spaß sind bei dieser Teambuilding-Maßnahme garantiert. Zudem tut in der Hitze von Kitzbühel jede Abkühlung gut. Hitzlsperger will die guten ersten Eindrücke jedoch nicht überbewerten. Er weiß genau, dass sich aus einer guten Vorbereitung noch lange keine gute Saison ableiten lässt – das lehrte nicht zuletzt die vergangene Saison. Zudem befindet sich der VfB nach dem Abstieg erst am Anfang eines langen Weges. „Ich spüre weder eine Depression noch eine Euphorie“, sagt der Sportchef. Realismus mahnt er an, um das große Ziel, den Wiederaufstieg, zu erreichen. „Es ist eine hohe Motivation bei allen da“, sagt Hitzlsperger mit Blick auf die Spieler, „und zudem viel Qualität.“ Noch ist der Prozess des Umbruchs aber erst angelaufen beim VfB Stuttgart.

Cast muss gehen

Er kam in der Ära des Managers Robin Dutt von den Stuttgarter Kickers nach Bad Cannstatt, wo er seit 2015 als Manager Sportorganisation tätig war – zuletzt als rechte Hand des in Stuttgart gescheiterten Sportvorstands Michael Reschke. Nun muss Joachim Cast, 51, den VfB trotz eines laufenden Vertrags verlassen. Sein Nachfolger steht bereits fest: Es ist Markus Rüdt, 38, der bisher im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) des VfB in ähnlicher Position tätig war.

Beim VfB ist Joachim Cast stets als Mann für das Kleingedruckte und Zuarbeiter des sportlichen Leiters – zunächst Dutt, dann Jan Schindelmeiser, zuletzt Reschke – tätig gewesen.