Schwitzen und abkühlen: Santiago Ascacibar im VfB-Trainingslager. Foto: Baumann - Baumann

Die Stuttgarter wollen den Argentinier halten, würden bei einer hohen Ablösesumme aber wohl schwach werden.

StuttgartEr steckt im Zwiespalt der Gefühle. Doch davon ist auf dem Platz nichts zu spüren. Santiago Ascacibar rennt wie immer am meisten beim VfB Stuttgart. Er setzt auch am häufigsten zu Grätschen an. Mit einer Leidenschaft, als gäbe es kein Morgen mehr. Aber genau das ist die Frage, die den 22-jährigen Mittelfeldspieler seit dem Abstieg abseits des Rasens begleitet: Sieht er seine nahe Zukunft bei einem Fußball-Zweitligisten?

„Es tut mir leid“, sagt Ascacibar. „aber ich kann das im Moment nicht klar beantworten.“ Der Argentinier zeigt dabei auf sein Herz. Darin trägt er den VfB. Weil er sich bei den Stuttgartern wohl fühlt und sich dem Club stark verbunden fühlt, der ihm den Sprung über den großen Teich in eine europäische Topliga ermöglicht hat.

Doch jenseits der emotionalen Standortfaktoren, beschäftigt sich Ascacibar auch mit dem weiteren Verlauf seiner Karriere. Anfragen diverser Erstligisten sind bei seinem Berater bereits aufgelaufen. Aber Ascacibar hat bisher immer nur mit dem Kopf geschüttelt. Er will nicht unbedingt bei Cagliari Calcio in Italien oder bei Real Valladolid in Spanien landen. „Ich muss von einem anderen Club schon sehr überzeugt sein, ehe ich den VfB verlasse“, sagt der Mittelfeldspieler.

Ähnlich schätzt Sven Mislintat die Situation ein. „Santiago Ascacibar ist ein guter Junge mit klaren Gedanken“, sagt der Sportdirektor. Die Stuttgarter wollen das kleine Mentalitätsmonster gerne behalten – allerdings nicht um jeden Preis: „Wenn ein Topclub kommen würde, der eine hohe Ablösesumme bietet, dann wären wir gezwungen, darüber nachzudenken.“

Vertrag bis 2023

Noch gibt es jedoch keine konkreten Angebote in dieser Dimension für den Südamerikaner, der beim VfB noch über einen Vertrag bis 2023 verfügt. Ohne Ausstiegsklausel. Das hat der ehemalige Manager Michael Reschke ausgehandelt, der Ascacibar im Sommer 2017 für mehr als sechs Millionen Euro holte. Ein Jahr später war der blonde Bursche vom Rio de La Plata ein Fixpunkt im Team und sein Arbeitspapier wurde vorzeitig verlängert.

Doch dann lief einiges schief – erst beim VfB, später ebenso bei Ascacibar. Trat er anfangs noch konstant gut auf, schlichen sich anschließend immer mehr Fehler in seine Aktionen. Vor allem im Passspiel. „Ich hatte oft den Ball, wusste dann aber gar nicht so recht wohin damit, weil es keine Anspielstationen gab“, sagt Ascacibar, der zwei Statistiken in der Vorsaison anführte. Er brachte es mit durchschnittlich 12,39 Kilometer pro Partie auf die höchste Laufleistung in der Bundesliga, und mit zehn Gelben sowie einer Roten Karte war er der größte Sünder.

Weniger wäre da für das Energiebündel manchmal mehr gewesen. Aber Ascacibar warf sich in jeden Zweikampf und versuchte, jede Lücke zu stopfen. Dabei ging ihm die Klarheit verloren. Zumal ihn Markus Weinzierl nicht zentral vor der Abwehr sah und den Kämpfer weiter nach vorne schob. Der Ex-Coach wollte aus Ascacibar gar einen zweiten Joshua Kimmich (FC Bayern) machen und ihn auf den rechten Verteidigerposten versetzen.

Der Versuch dauerte nicht lange. Ascacibar sieht seine Stärken als Balleroberer. Und aus diesem Selbstverständnis zieht er sein Selbstvertrauen. „Solche Szenen zählen für mich genauso, wie wenn ich ein Tor erzielen würde“, sagt er. Dennoch arbeitet er daran, sein Offensivspiel zu verbessern, mehr Vertikalpässe zu spielen. Der neue VfB-Trainer könnte dabei eine Schlüsselrolle übernehmen. „Ein Jahr unter Tim Walter könnte seiner Entwicklung gut tun“, sagt Mislintat über das Stuttgarter Projekt. Mit frischem Mut soll es beim VfB vorwärtsgehen.

„Diese neue Spielidee gefällt mir sehr gut“, sagt Ascacibar über die ersten Eindrücke. Es wird nicht mehr verzweifelt verteidigt, sondern die Initiative ergriffen – mit und ohne Ball sowie kurzen Abständen zwischen den Mannschaftsteilen. Das kommt dem defensiven Mittelfeldmann entgegen, der nach der alten Saison eine neue Lust verspürt. Selbst wenn zwei Fußballseelen in seiner Brust schlagen: Ascacibar will liebend gerne beim VfB bleiben, aber er will auch erstklassig spielen.

Niederlage gegen Bern

Der VfB hat seine erste Testspiel-Niederlage in der Vorbereitung auf die kommende Saison in der 2. Fußball-Bundesliga hinnehmen müssen. Dem Schweizer Meister Young Boys Bern unterlag der Bundesliga-Absteiger bei hohen Temperaturen am Samstagnachmittag im österreichischen Fügen mit 1:3 (1:2). VfB-Angreifer Nicolas Gonzalez (25. Minute) war lediglich der zwischenzeitliche Ausgleichstreffer gelungen. Für die Young Boys trafen Guillaume Hoarau (4.), Jean-Pierre Nsame (45.) und Esteban Petignat (81.). Der von 1899 Hoffenheim ausgeliehene Torhüter Gregor Kobel kam in dem Testspiel erstmals für den VfB zum Einsatz. Nach der Rückkehr nach Stuttgart bestreitet die Mannschaft ihr nächstes Testspiel am Freitag (19 Uhr) bei der TSG Backnang.