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Neuzugang Christos Erifopoulos ist bereits eine zentrale Figur im Spiel des Handball-Drittligisten TV Plochingen.

PlochingenChristos Erifopoulos blickt aus dem Redaktionszimmer über den Neckar in Richtung Filderhöhe. „Rischtisch schön finde ich es hier“, sagt er und nickt anerkennend. Erifopoulos ist 19 Jahre alt, Anfang Juli ist er von zuhause im hessischen Erlenbach ausgezogen, um im Schwabenland seinem Traum von einer Profihandball-Karriere einen Schritt näher zu kommen. Da hilft es, wenn man sich in der neuen Umgebung wohlfühlt. Und dafür wiederum hilft es, wenn man ein offener Typ ist. Das ist Erifopoulos. Auf die Frage, wo man sich denn zum Gespräch treffen könnte, sagt er gleich: „Kein Problem, ich komme vorbei.“

Der nächste Schritt für Erifopoulos heißt: 3. Liga, TV Plochingen. Gleichzeitig ist er mit einem Zweitspielrecht für Frisch Auf Göppingen ausgestattet. Der Bundesligist hat den Wechsel von Zweitliga-Absteiger TV Großwallstadt auch eingeleitet. Der Plan ist, dass der Rückraumspieler zunächst für Plochingen aufläuft und bei den Göppingern mittrainiert. „Wenn ich die Gelegenheit habe, ein Bundesligaspiel zu absolvieren, würde ich das natürlich gerne annehmen“, sagt Erifopoulos. „Aber es passt sehr gut, für Plochingen zu spielen.“ Nachdem er in der vergangenen Saison für Großwallstadt in der 2. Bundesliga Tore geworfen hat, ist das für ihn kein Rückschritt. „Es ist besser, in der 3. Liga Verantwortung zu übernehmen, als in der 2. Bundesliga wenig Spielzeit zu bekommen“, sagt er. Verantwortung übernimmt er gerne. In Plochingen bekommt er sie.

„Er ist mein Rückraum-Mitte-Spieler Nummer eins“, sagt TVP-Trainer Michael Schwöbel, der Erifopoulos schon im ersten Gespräch verdeutlichte, was er von ihm erwartet. Und der nimmt das an: „Ich habe schon immer gerne Verantwortungen übernommen, in den Jugendmannschaften war ich meistens der Kapitän.“ Für hessische Nachwuchsauswahlteams hat er gespielt, 15 mal ist er für griechische Jugend-Nationalmannschaften aufgelaufen, im Moment gehört er zum erweiterten Kader der deutschen U-19-Auswahl. Das A-Nationalteam ist natürlich ein Traum, wobei er auch weitere Einsätze für Griechenland nicht ausschließt. „Das war in der Jugend eine schöne Erfahrung. Obwohl ich Griechisch nur verstehe, aber nicht spreche, wurde ich dort behandelt wie ein Bruder.“ Er ist stolz auf seine griechische Herkunft. und wenn er spricht, hört man deutlich, dass er in Hessen aufgewachsen ist.

„Er braucht Freiräume“

Erifopoulos ist nach Julian Mühlhäuser der Zweitjüngste im Plochinger Kader, und doch eine zentrale Figur. „Er hat eine hohe individuelle Qualität, ist unheimlich schnell und hat einen guten Schlagwurf. Er ist schwer auszurechnen und damit zu verteidigen“, lobt Coach Schwöbel und ist froh, nach dem Abgang von Top-Scorer Lukas Fischer zum VfL Pfullingen einen hochkarätigen Zugang für die wichtige Mitte-Position zu haben. Am ordentlichen Saisonstart des TVP hatte Erifopoulos bereits einen großen Anteil. Dass er mit seinen 1,80 Metern kein Rückraum-Riese ist, ist dabei kein Problem. Erifopoulos grinst: „Meine Trainer wussten immer, was sie an mir haben. Die anderen haben mich oft unterschätzt.“

Schwierigkeiten, sich als 19-jähriger Anführer auf dem Feld Respekt bei den (älteren) Mitspielern zu verschaffen, sieht
Erifopoulos nicht. „Wir sind ja eine ganz junge Mannschaft. Und die Älteren wie Dominik Eisele sind ganz locker“, erklärt er. „Er ist für einen 19-Jährigen in der Spielsteuerung sehr weit“, sagt Schwöbel. Die Kunst des Trainers: „Er braucht Freiräume, um seine Kreativität auszuleben. Im richtigen Moment müssen wir ihn dann ein bisschen einbremsen.“

Das Eingewöhnen in Schwaben ist Erifopoulos nicht schwergefallen. Er ist einer, der auf Leute zugeht. Der neugierig ist. Mit den neuen Kameraden trifft er sich auch neben Spiel und Training. „Ich habe schnell Freunde gefunden, auch außerhalb des Handballs“, erzählt er. In seiner Wohnung in Deizisau fühlt er sich wohl. „Jetzt habe ich noch mehr Respekt davor, was meine Mama immer macht“, sagt er lachend über die erste eigene Haushaltsführung.

Natürlich haben ihn die Eltern unterstützt und auch beim Umzug geholfen. Sie wussten, was auf sie zukam: Christos ist der jüngste von drei Brüdern. Panagiotis, mit 27 Jahren der älteste, hat bis vor Kurzem bei der SG BBM Bietigheim gespielt und ist mit der Mannschaft in die Bundesliga aufgestiegen. Nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Mühlhäuser war der Kreisläufer sogar bei den Plochingern ein Thema, doch er entschied sich aus beruflichen Gründen für eine Rückkehr zum hessischen Drittligisten TV Gelnhausen. „Das wäre natürlich toll gewesen“, sagt der Jüngere, „mein Bruder war immer ein Vorbild für mich.“

Auch Christos Erifopoulos kümmert sich um sein berufliches Vorankommen. Er studiert Wirtschaftswissenschaften, demnächst wechselt er von der Uni Frankfurt nach Ulm. Aber seine Leidenschaft und sein Hauptaugenmerk gehören dem Handball. Für zwei Jahre hat er sich an Göppingen und Plochingen gebunden, wobei sein Einsatz für den TVP in der kommenden Runde an den Klassenverbleib in der 3. Liga gekoppelt ist. Dass Plochingen eine Zwischenstation auf dem Weg nach ganz oben sein soll, ändert nichts daran, dass er alles für das Team gibt und sich mit dem Verein identifiziert. „Das hat man gleich gemerkt. Uns war wichtig, dass er das nicht nur als Sprungbrett sieht“, erzählt Schwöbel. „Er hat eine große Emotionalität.“ Und damit auch das Zeug zum Publikumsliebling. Dafür muss man der Typ sein. Und es es hilft, wenn man sein neues Lebensumfeld „rischtisch schön“ findet.