Philipp Keppeler dreht auf: Der Rechtsaußen erzielt drei seiner sechs Treffer in der Schlussphase. Foto: Kehle - Kehle

Von Sigor Paesler


Metzingen – Es waren in der Hofbühlhalle zu Metzingen-Neuhausen 39 Minuten in der Handball-Drittliga-Begegnung zwischen dem Zweitliga-Absteiger TV Neuhausen/Erms und dem Aufsteiger TSV Neuhausen/Filder absolviert. Wer in diesem Moment den Gesichtsausdruck von Timo Durst wahrnahm, dem konnte das Blut in den Adern gefrieren. Gerade hatte Durst für die Gäste von den Fildern zum 13:18 getroffen, doch Ferdinand Michalik hatte postwendend mit dem 19:13 für den Favoriten geantwortet. Durst, so schien es, war sauer auf sich, die Mannschaft und die ganze Handball-Welt. Das Spiel schien verloren. Doch: Eine Viertelstunde später stand Durst da, nassgeschwitzt von 60 aufreibenden Minuten Handball und einem ausgiebigen Siegertanz, strahlte wie ein Kind an Weihnachten und jubelte: „Das war eine überragende Mannschaftsleistung.“ Die MadDogs hatten das Derby tatsächlich noch mit 26:24 (11:14) gewonnen – und fast alle in der Halle fragten sich, wie es dazu gekommen war.
Die Protagonisten von Neuhausen/Erms wunderten sich allerdings noch ein bisschen mehr. „45 Minuten lang haben wir gut gespielt. Danach dachten einige, das Spiel ist zu Ende“, erklärte TVN-Trainer Anel Mahmutefendic konsterniert. „Das war ein großer Fehler.“ Ein Fehler, den die Neuhausener von den Fildern ausnutzten. „Wir haben in dieser Saison schon einige male Rückstände aufgeholt, wir sind voller Selbstvertrauen“, erklärte Durst.
Sieg des Willens und des Trainers
Es war eine große Willensleistung. Ein Sieg der Mannschaft. Aber auch ein Sieg von Trainer Ralf Bader an seiner langjährigen Wirkungsstätte. Ein Sieg, den er sichtlich genoss. „Ich habe unseren Trainer noch nie so außer sich gesehen wie nach dem Spielende“, sagte Durst lachend über seinen sonst eher nüchtern-sachlichen Coach. Der erklärte zunächst, was seiner Meinung nach der Schlüssel zum Erfolg war: „Wir haben in der Halbzeit gesagt, dass wir gut gespielt, aber im Angriff zu viele technische Fehler gemacht haben. Wichtig war, dass wir unser Abwehrsystem über die gesamte Spielzeit beibehalten haben.“ Und: „Wir haben gesagt, dass wir eines ganz sicher nicht machen werden: aufgeben.“ Als die Mannschaft schier aussichtslos hinten lag, blieb Bader ganz ruhig, gab Anweisungen, feuerte an. Später ließ er seinen Gefühlen freien Lauf: „Ich bin stolz auf die Mannschaft. Von der Floskel ‚dieser Sieg gibt auch nur zwei Punkte‘ will ich nichts wissen. Das war ein Big Point für uns und ein besonderer Moment für den Verein.“
Es sah lange nicht gut aus für die MadDogs. Nach dem 1:1 lag der favorisierte TVN bis kurz vor Schluss ständig in Führung. Die offene und aggressive Abwehr des Filder-Teams arbeitete von Beginn an gut, doch in der Offensive – Neuhausen/Erms verteidigte mit einer starren 6:0-Formation – ging lange zu wenig: Es gab leichte Ballverluste, es wurden beim Abschluss falsche Entscheidungen getroffen und dann war da noch Neuhausen/Erms-Torhüter Adrian Lombes-Birkenheuer, der insgesamt 18 Paraden zeigte. Neuhausen/Fildern kam einige Male fast heran, aber eben nur fast. Beim 4:5 fiel nicht das 5:5, nach dem 9:11 reichte es auch nicht zu einem besseren Halbzeitresultat als 11:14.
Die Akteure von Neuhausen/Erms mussten sich am Ende vor allem vorwerfen lassen, nicht früh genug für (mehr) Klarheit gesorgt zu haben. Auch als der Außenseiter auf 19:21 und 20:21 herankam, dachten sie wohl noch nicht daran, das Spiel verlieren zu können. Als aber Leon Pabst ausgeglichen und Rechtsaußen Philipp Keppeler mit drei seiner insgesamt sechs Treffern sowie Hannes Grundler auf 25:21 erhöht hatten, war es zu spät. Durch die triumphalen letzten zwei Spielminuten wurden die MadDogs von ihren stehenden und klatschenden Fans getragen. „Auswärtssieg, Auswärtssieg.“
Es war ein denkwürdiger Handball-Abend, für beide Mannschaften. Während die Spieler von Neuhausen/Erms auf dem Boden oder der Bank saßen und die Welt nicht verstanden, war Neuhausen/Filderns Keppeler einfach nur glücklich. „Wenn man bedenkt, gegen was für einen Gegner wir hier als Underdog gespielt haben. Hier so zurückzukommen und zu gewinnen, fühlt sich überragend an“, sagte er mit einem Siegerlächeln auf den Lippen.
Underdog? Die MadDogs stehen nach sechs Spieltagen auf Platz vier.