Von Uwe Bauer

Esslingen - Paukenschlag im Fußballbezirk Neckar-Fils: Das Sportgericht ist komplett zurückgetreten. Der Grund: Der Württembergische Fußballverband (WFV) hat alle Verfahren, die sich mit der (überhöhten) Spesenabrechnung von Schiedsrichtern befassen, an sich gezogen.

Es rumort im Bezirk, vornehmlich die Schiedsrichter der Gruppen Göppingen und Esslingen fühlen sich regelrecht vom Sportgericht verfolgt. Der Obmann der Gruppe Göppingen, Achim Frank, hat den Stein mit einem Schreiben an den WFV ins Rollen gebracht. Inhalt: Verschiedene Urteile der Neckar-Fils-Sportrichter zur Spesenabrechnung seien so nicht hinnehmbar, der Verband möge sich doch der Verfahren annehmen. Die Verantwortlichen im Bezirk hatten davon allerdings keine Kenntnis erhalten, sondern erst, als ihnen das Schriftstück zugespielt worden war.

Im Februar hatte der WFV neue Richtlinien erlassen, wie die Unparteiischen abzurechnen haben. Darin geht es um die Fahrtstrecken vom Wohnort zu den Sportplätzen. Etwa um die kürzeste zumutbare Strecke oder um die schnellste, wenn sie einen wesentlichen Zeitvorteil bringt.

Entsprechend der Vorgaben haben der Sportgerichtsvorsitzende Siegfried Bippus und seine fünf ehrenamtlichen Mitstreiter ihre Urteile gefällt. „Das Sportgericht hat sich zu hundert Prozent an die Vorgaben gehalten“, stellt sich der Bezirksvorsitzende Karl Stradinger hinter seine Mitarbeiter.

„Unser Sportgericht ist meines Erachtens das beste im WFV“, sagt Stradinger, „man muss sich nur mal die Besetzung angucken.“ Lauter Fachleute sitzen drin: Die Rechtsanwälte Fabian Preuß und Sandra Bausch, Steuerberater Klaus Bühler und drei Polizisten (Roland Reutter, Arne Ness und Bippus). Außerdem, so der Bezirksvorsitzende, würden maximal ein Prozent der bemängelten Abrechnungen verfolgt und Fälle mit einer Abweichung von bis zu zehn Kilometern ohnehin gar nicht. Im schlimmsten Fall ging es einmal um 38 Kilometer, die zu viel abgerechnet wurden. „Es geht letztlich ums Geld der Vereine“, macht Stradinger klar, „die müssen oft jeden Cent mehrmals umdrehen.“

Umso mehr wunderten sich Bippus und Co., als sie mit einer Verfügung vom 16. Mai von der WFV-Rechtsabteilung zurückgepfiffen wurden und das Sportgericht der Verbands- und Landesligen mit der Bearbeitung der „Verfahren gegen Schiedsrichter wegen des Vorwurfs vorsätzlicher Überschreitung der Spesensätze im Bezirk Neckar-Fils“ beauftragt wurde.

„Wenn beabsichtigt war, das Sportgericht Neckar-Fils mit dieser Entscheidung zu demontieren und bloßzustellen, dann ist dies zu hundert Prozent gelungen“, schrieb Bippus an Jörg Kindermann, den Vorsitzenden des Verbandsgerichts. Dessen Erklärung in einer vorausgegangenen Mail an den Neckar-Fils-Sportgerichtsvorsitzenden, mit der Verfügung einer weiteren Intensivierung des Konflikts entgegentreten, das Sportgericht Neckar-Fils aus der Schusslinie nehmen und damit zu einer Befriedung beitragen zu wollen, ist für Bippus kein Argument. „Entweder wir können alles machen, oder gar nichts“, sagt er.

Am meisten ärgert ihn allerdings, dass vom Verband noch keiner mit den Sportrichtern gesprochen hat. „Wir haben bis zum heutigen Tag keine Information darüber erhalten, um was es wirklich geht“, klagt Bippus. „Sollte es unter anderem daran liegen, dass Führungskräfte der Schiedsrichtergruppen Göppingen und Esslingen Schwierigkeiten im Umgang mit der Wahrheit haben, so wäre das nicht dem Sportgericht anzulasten.“

Heute findet in der WFV-Zentrale in Stuttgart ein letzter Schlichtungsversuch mit allen Beteiligten statt. Auch WFV-Präsident Matthias Schöck ist dann dabei.

Seit dem 23. Mai, dem Tag des Rücktritts, gehen auch alle anderen Sportrechtssachen an das Verbandssportgericht. „30 bis 40 Fälle sind bereits angefallen“, sagt Karl Stradinger. Auch der Spielabbruch in der Bezirksliga zwischen dem VfL Kirchheim und der SGM T/T Göppingen vom Sonntag. Das Urteil liegt seit gestern vor: Die Göppinger bekommen die Punkte zugesprochen (3:0-Wertung), der Verein muss aber für den Ausraster eines Funktionärs 150 Euro Bußgeld bezahlen. Der VfL wurde wegen Verschulden eines Spielabbruchs zu 50 Euro verdonnert und ist die Punkte los.