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Immobilie

Immobilienmarkt: Lohnt sich ein Kauf jetzt?

Die Lage auf dem Immobilienmarkt ist angespannt: hohe Bauzinsen, Preissturz, niedrige Nachfrage nach Neubauten.

Immobilienmarkt: Lohnt sich ein Kauf jetzt?

Die Preise für Wohnimmobilien sind in den vergangenen Monaten stark gesunken. Doch durch die hohen Bauzinsen ist die Zinslast jetzt deutlich höher. Foto: dpa/Christin Klose

Die schwierige Lage hat dazu geführt, dass die Nachfrage nach Eigenheimen gesunken ist. Dadurch ist das vorhandene Immobilienangebot weniger umkämpft, Verkäufer müssen moderatere Preise aufrufen. Ist das für Kaufwillige nun also eine gute Chance auf ein Immobilienschnäppchen? Oder ist Zurückhaltung angemessen?

Den jetzigen Zeitpunkt als „gut geeignet“ für einen Immobilienkauf zu bezeichnen, ist nach Ansicht von Max Herbst „vielleicht etwas übertrieben“. Wer aber genau rechne und das ideale Objekt suche oder plane, müsse auch in der etwas turbulenten Marktphase nicht zwingend von seinem Vorhaben abrücken, sagt der Gründer der FMH-Finanzberatung. Der Vorteil, den Käufer jetzt hätten: Zeit. Zeit, in aller Ruhe Objekte zu suchen und energetische Einbau- und Umbauarbeiten zu planen und durchzurechnen. Der Druck, sich möglichst schnell für eine Immobilie zu entscheiden, bevor ein anderer Interessent sie vor der Nase wegschnappt, ist durch die gesunkene Nachfrage etwas raus. „Selbst wenn die Zinsen in der Zwischenzeit noch um 0,25 Prozent steigen sollten, kippt das bestimmt nicht den Immobilienerwerb“, sagt Herbst.
Auch Jörg Utecht, der Vorstandsvorsitzende von Interhyp, Deutschlands größtem Vermittler für private Baufinanzierungen, sieht in dem Wandel des Immobilienmarkts gewisse Chancen für Käuferinnen und Käufer. „In den vergangenen Jahren haben wir einen Verkäufermarkt erlebt. Es gab weniger Objekte, auf die meist viele Interessentinnen und Interessenten kamen.“ Das wandele sich nun, so Utecht.

Käufer können wieder verhandeln

Die Preise fielen, das Angebot an verfügbaren Immobilien sei deutlich größer als zuvor. Mit einem schönen Nebeneffekt: Käuferinnen und Käufer könnten aufgerufene Preise nun sogar wieder verhandeln. Laut Statistischem Bundesamt haben sich Wohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäuser im ersten Quartal 2023 so stark verbilligt wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr. Im Schnitt betrug der Preisrückgang bei Wohnimmobilien demnach 6,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Dabei seien die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser tendenziell stärker gesunken als die von Eigentumswohnungen. Sogar vor den begehrten deutschen Metropolen - Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf - machte der Preissturz nicht Halt: Dort musste für Ein- und Zweifamilienhäuser im Schnitt 10,4 Prozent weniger bezahlt werden, für Eigentumswohnungen immerhin 6,4 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

Interhyp stellt außerdem fest: Kundinnen und Kunden haben 2022 andere Objekte finanziert als zuvor. Die Nachfrage nach Neubauten sei zurückgegangen, die Nachfrage nach älteren und kleineren Objekten sei dafür hoch. Ein Grund könnte sein: Bei Immobilien, die vor 1990 gebaut wurden, war der Preisrückgang laut dem Kreditvermittler im Schnitt fast doppelt so hoch wie bei Immobilien, die nach 2010 gebaut wurden. Die durch die Energiekrise sensibilisierten Käufer dürften bei älterem Bestand weniger bereit gewesen sein, tief in die Tasche zu greifen.

Bei der Finanzierung umdenken

Bei diesen Objekten sollten Kaufwillige aber darauf achten, welche energetischen Arbeiten bereits vorgenommen wurden und welche noch anfallen werden, rät Max Herbst. Im Idealfall sollte das bei der Finanzierung schon mitgedacht werden. Denn: „Energetische Einbauten werden immer mehr zum Standard und kosten richtig Geld.“
Grundsätzlich müssen Menschen, die derzeit eine Immobilie kaufen oder bauen wollen, bei der Finanzierung umdenken. Durch die Verdrei- oder sogar Vervierfachung der Bauzinsen ist die Zinslast bei der Monatsrate jetzt deutlich höher. Dadurch bleibt weniger Geld für die Tilgung.
Max Herbst gibt ein Beispiel für ein Darlehen über 400 000 Euro: Wer das vor einem Jahr noch mit einem Prozent Zinsen und drei Prozent Tilgung zurückbezahlt hat, hatte eine monatliche Belastung von 1333 Euro.

Eine ähnlich hohe Rate ist auch jetzt noch zu erreichen: Mit vier Prozent Zinsen und einem Prozent Tilgung liegt die Kreditrate bei 1667 Euro und ist damit für viele weiterhin bezahlbar.
Der große Unterschied: die Gesamtkosten und die Dauer der Rückzahlung. Angenommen, der Zinssatz ändert sich bis zum Ende der Laufzeit nicht, verteuere sich der Kredit von 460 500 Euro im Falle des günstigen Zinssatzes auf 806 100 Euro im Falle des höheren Zinssatzes - beinahe eine Verdopplung. Außerdem verlängert sich die Laufzeit bis zur vollständigen Rückzahlung des Darlehens enorm.

Abwarten macht's eher nicht besser

Dass inzwischen weniger getilgt wird, zeigen auch die Finanzierungskennzahlen von Interhyp. Während deren Kundinnen und Kunden im vierten Quartal 2021 im Schnitt jährlich noch 2,93 Prozent ihres Kreditvolumens tilgten, waren es ein Jahr später nur noch 2,43 Prozent.
Und dennoch stieg die monatliche Rate im gleichen Zeitraum im Schnitt um 29 Prozent an - von 1166 auf 1505 Euro.
Ein weiteres Problem laut Max Herbst: Banken verlangten fast immer 10 bis 20 Prozent Eigenkapital oder Zusatzsicherheiten. „Wer das nicht hat, hat schlechte Karten beim Finanzierungsgespräch.“ Dass die Menschen inzwischen noch einmal deutlich mehr Eigenkapital in ihr Projekt einbringen, beobachtet auch Kreditvermittler Interhyp. Während es 2021 durchschnittlich noch 139 000 Euro waren, lag die Summe des eingesetzten Eigenkapitals 2022 schon bei 155 000 Euro.

Aber: Ein Abwarten dürfte die Herausforderungen für Käuferinnen und Käufer nicht unbedingt schmälern, schätzen Experten. Max Herbst etwa geht nicht davon aus, dass die Zinsen langfristig auf unter drei Prozent sinken. Stephen Paul vom Immobilienverband Deutschland rechnet sogar eher damit, dass die Zinsen vom jetzigen Niveau aus noch leicht ansteigen.
Jörg Utecht schätzt, dass sich die aktuell turbulente Marktphase im Immobilienbereich über kurz oder lang beruhigen wird – dann nämlich, wenn sich ein neues Gleichgewicht eingestellt hat, die Kaufpreisvorstellungen von Käufern und Verkäufern wieder näher beieinander liegen.
Von Christoph Jänsch


VOR ALLEM IN DEN METROPOLEN SINKEN DIE PREISE

Die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland sind im ersten Quartal 2023 um durchschnittlich 6,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal gesunken. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, war dies der stärkste Rückgang der Wohnimmobilienpreise gegenüber einem Vorjahresquartal seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000. Im Vergleich zum vierten Quartal 2022 waren Wohnimmobilien im ersten Quartal 2023 durchschnittlich 3,1 Prozent günstiger. Ausschlaggebend für den Rückgang der Kaufpreise dürfte weiterhin eine gesunkene Nachfrage infolge gestiegener Finanzierungskosten und der anhaltend hohen Inflation sein.

Sowohl in den Städten als auch in den ländlichen Regionen waren im ersten Quartal deutliche Preisrückgänge zu verzeichnen, wo-bei die Preise in den Städten stärker zurückgingen als auf dem Land. Die größten Preisrückgänge im Vergleich zum Vorjahresquartal waren in den Top-7-Metropolen (Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und Düsseldorf) zu beobachten. Hier gingen die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser um 10,4 Prozent zurück, für Wohnungen musste 6,4 Prozent weniger gezahlt werden.
red

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