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Der Stuttgarter Bürgermeister Werner Wölfle (Grüne) gerät in der Klinikumsaffäre durch die Staatsanwaltschaft stark unter Druck.

StuttgartDie Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen den früheren Krankenhaus- und heutigen Sozialbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) eingeleitet. Es besteht der Verdacht der Untreue Wölfles zum Nachteil der Landeshauptstadt im Zusammenhang mit umstrittenen Geschäften zwischen dem Klinikum Stuttgart und dem Ölstaat Kuwait. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte am Donnerstag, konkret gehe es bei den Ermittlungen um einen 2014 abgeschlossenen Beratervertrag zwischen dem Klinikum und dem kuwaitschen Gesundheitsministerium. Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft haben am Donnerstag sowohl die Büroräume Wölfles im Rathaus als auch seine Wohnung durchsucht.

Hintergrund der Ermittlungen ist offenbar folgender: Im Februar 2014 hatte die für Geschäfte mit arabischen Patienten zuständige International Unit des Klinikums unter dem damaligen Abteilungsleiter Andreas Braun einen Vertrag mit Kuwait für den dortigen Aufbau einer orthopädischen Klinik abgeschlossen. Volumen: 46 Millionen Euro, davon rund 20 Millionen verdeckt einkalkulierte Provisionen, von denen alleine 12,6 Millionen an das kuwaitische Unternehmen Aryak gingen, ohne dass dafür eine erbrachte Leistung ermittelt werden konnte. In der Folge ermittelte die Staatsanwaltschaft in Sachen Auslandsabteilung bereits wegen des Verdachts der Untreue, des Betruges und der Bestechung gegen insgesamt 21 Personen – allerdings nicht gegen den damals zuständigen Krankenhausbürgermeister. Der Leiter der International Unit, der frühere Grünen-Landeschef Andreas Braun, wurde dagegen wegen Flucht- und Verdunklungsgefahr für fünf Monate in Untersuchungshaft genommen.

Die bisherigen Darlegungen der Stadt hatten den Schluss nahegelegt, Bürgermeister Wölfle – zwischen 2011 und 2016 für das Klinikum zuständig – sei in der Abschlussphase des Vertrags nicht direkt involviert gewesen. Auch Wölfle selbst hatte gesagt, er sei zwar über den Vertragsabschluss informiert gewesen, nicht aber über den Inhalt des Kontrakts. Eine jüngst von Braun zugänglich gemachte elektronische Korrespondenz zwischen Wölfle und ihm lässt allerdings den Schluss zu, dass Wölfle mehr gewusst haben könnte als eingeräumt. Wölfle wurde von OB und Parteifreund Fritz Kuhn dazu aufgefordert, Stellung zu beziehen. Er gab im Januar zu Protokoll, er könne sich nicht erinnern und beantragte beim Regierungspräsidium ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst zur Klärung der Vorwürfe. Am 4. Februar begründete er seinen Antrag beim RP, die Behörde prüft diese. Dabei werde man auch die Tatsache würdigen, dass es nun ein Ermittlungsverfahren gebe, so die Auskunft am Donnerstag.

Wölfle hatte im Januar auch erklärt, dass er mit Ablauf seiner ersten Amtsperiode am 14. August seine Tätigkeit als Bürgermeister beenden wolle und keine zweite Amtszeit anstrebe. Ob sich Wölfe so lange im Amt halten kann, ist aufgrund der aktuellen Entwicklung allerdings fraglich. Im Rathaus wird der Ruf nach Konsequenzen immer lauter.

OB-Sprecher Andreas Scharf erklärte, man prüfe verwaltungsintern, welche Folgen der Vorgang haben könne. CDU-Fraktionschef Alexander Kotz betonte, zwar gelte auch für Wölfle die Unschuldsvermutung. Gleichwohl könne er sich aber nicht vorstellen, dass Wölfle bis zu seinem angekündigten Abschied die Stadt weiter nach außen repräsentiere: „Ich fordere Herrn Wölfle auf, jetzt die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und sein Bürgermeisteramt zumindest ruhen zu lassen.“ Darin sieht auch Jürgen Zeeb, Fraktionschef der Freien Wähler, eine Möglichkeit, „wenn es denn angemessen erscheint, um das Ansehen der Landeshauptstadt zu wahren“. Allerdings riet er OB Kuhn, das weitere Vorgehen mit Hilfe des Rechtsamtes erst einmal gründlich prüfen zu lassen. Im Übrigen habe man aber Respekt vor Wölfle und wolle eine Vorverurteilung vermeiden: „Wir haben uns auch in den vergangenen Wochen nicht an der Menschenjagd auf ihn beteiligt.“ Wölfle nahm am Donnerstag nicht an der Sitzung der Grünen-Fraktion im Rathaus teil und fehlte auch im Plenum. „Wir sind sehr überrascht. Wir werden das Gespräch mit ihm suchen und gemeinsam eine Vorstellung entwickeln, wie es weitergeht“, sagt Grünen-Fraktionschef Andreas Winter.

SPD-Fraktionschef Martin Körner sieht sich bestätigt: „Wir sind schon länger der Meinung, dass Werner Wölfle eine treibende Kraft bei krummen Auslandsgeschäften des Klinikums war. Das sieht die Staatsanwaltschaft offensichtlich ähnlich.“ Trotz allem habe der Vorgang auch ein tragisches, menschliches Element. Thomas Adler (Die Linke) beurteilt die Einleitung des Verfahrens gegen Wölfle als „folgerichtig“. Man sei eher wegen des späten Schrittes überrascht. SÖS/Linke-plus habe der Verwaltung und auch Wölfle schon länger empfohlen, Fehler einzugestehen und sich zu ihrer Verantwortung zu bekennen. Die Verwaltung habe sich aber für eine „Politik des Vertuschens“ entschieden und immer wieder „Brandmauern“ um ihre kritisierten Repräsentanten gezogen.