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In der Andreaskirche und im Cusanus-Haus erklang der Wunsch nach 1000 Jahre Frieden – Katholiken sperren sich

StuttgartTausend Jahre Frieden ist die Utopie einer besseren Welt des walisischen Komponisten Karl Jenkins. Er hat sie in der Friedensmesse „The Armed man“ vertont und im Jahr 2000 in die Welt geschickt. Bis nach Obertürkheim und Birkach, wenn man so will. Dort haben der Solitude-Chor und das Sinfonieorchester der Uni Hohenheim das Stück voriges Wochenende dem Publikum präsentiert.

So weit so gut. „Aber auf dem Weg zu einer gemeinsamen friedlichen Welt haben wir noch einen langen Weg vor uns“, sagt die erste Vorsitzende des Solitude-Chors, Heike Graser, spitz. Hintergrund ist die Ablehnung des katholischen Stadtdekans Christian Hermes, die Friedensmesse im Eberhardsdom oder einer anderen seiner Kirchen aufzuführen. Damit sei die Suche nach einem passenden Auftrittsort extrem schwierig geworden, ärgert sich Graser. Als sie die Absage von Hermes per E-Mail bekommen hatte, war sie „empört“. In dem Schreiben begründet der Stadtdekan sein Nein damit, dass in der Friedensmesse der Ruf eines muslimischen Muezzins zu hören sei. So etwas habe in einer katholischen Kirche keinen Platz. Für den Chor und Heike Graser ist die rigide Haltung nicht nachvollziehbar. Erst die Zusage der evangelischen Andreas-Gemeinde Obertürkheim habe die Suche nach einem geeigneten Raum für das zweite Konzert beendet. Das erste Konzert fand im Festsaal des anthroposophisch inspirierten Cusanus-Hauses in Birkach statt. Beim Neujahrsempfang des Forums der Kulturen am Montagabend hatte Sozialbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) den Vorgang öffentlich gemacht. Die katholische Kirche habe es kategorisch abgelehnt, das begeisternde Konzert in einer Kirche zuzulassen. „Und dies trotz des Rates der Religionen. Darüber habe ich mich geärgert“, sagte der Sozialbürgermeister vor rund 500 Gästen in der Komödie im Marquardt.

„Gott ist groß“

Hermes, der sich als Vorsitzender des Rats der Religionen um einen interreligiösen Dialog bemüht, sagt: „Weder würde eine muslimische Gemeinschaft zustimmen, dass in ihren Gebetsräumen das Bekenntnis und der Lobpreis zu Jesus Christus als dem Sohn Gottes verkündet wird, noch können wir zustimmen, dass in einer katholischen Kirche der muslimische Adhan-Gebetsruf, ein grundlegender muslimischer Bekenntnis- und Verkündigungsruf, ausgerufen wird.“ Wörtlich ruft der Muezzin: „Gott ist groß. Ich bezeuge, dass es keine Gottheit gibt außer Gott. Ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Gottes ist.“ Die Zeilen ließen Hermes keinen Spielraum. „Das Bekenntnis zu Jesus Christus und das Bekenntnis zum Propheten Mohammed können künstlerisch kombiniert werden und die Vielstimmigkeit von Religionen repräsentieren. Theologisch und im katholischen Kirchenraum als Ort des Bekenntnisses sind sie nicht vereinbar – jedenfalls nach katholischer Überzeugung. Andere christliche Kirchen oder Gemeinschaften mögen das anders sehen.“ Hermes will damit sagen, dass es weder in Moscheen noch in Synagogen möglich ist, christliche Botschaften aufzuführen. Rabbiner Yehuda Pushkin von der jüdischen Gemeinde in Stuttgart sagt dazu: „Im Judentum ist eine Synagoge im engeren Sinne ausschließlich dem Gebet reserviert. Auch in einer Synagoge im weiteren Sinne wäre eine Theateraufführung aus jüdischer Tradition nicht möglich.“ Tatsächlich tun sich auch Protestanten schwer mit dem Stück von Jenkins. Im Berliner Dom durfte das Werk nicht aufgeführt werden. Auch in der evangelischen Stadtkirche Rotenburg bei Bremen entzündete sich ein Konflikt. Kritiker sprachen „von muslimischer Mission in einer evangelischen Kirche“. Auch in der Stiftskirche diskutierte der Kirchengemeinderat im Jahr 2016 hart, gab dann aber sein Plazet für die Aufführung. Stiftspfarrer Matthias Vosseler: „Wir haben uns nach vielen Gesprächen und dem intensiven Studium des Stücks und seiner Geschichte dazu entschlossen, das Stück aufzuführen, an der Stelle des Addhan (Muezzin-Rufs) eine Pause zu lassen, das ganze Stück aber im Programm abzudrucken.“

„Gutes protestantisches Prinzip“

Aus Sicht von Prälatin Gabriele Arnold ist das Weglassen der Stelle nicht die schlechteste Lösung. „Es handelt sich um die Aufführung eines Kunstwerks und nicht um einen Gottesdienst. Die Entscheidung, was in einer Kirche aufgeführt wird, wird in der evangelischen Kirche nicht von oben getroffen, sondern von den örtlichen Verantwortlichen. Die Kirchenleitung respektiert die getroffenen Entscheidungen, das ist gutes protestantisches Prinzip.“

Mit den Muslimen hat Heike Graser positive Erfahrungen gemacht: „Man hat Interesse, die Friedensmesse in einer Moschee aufzuführen.“ Ali Ipek, im Ditib-Landesverband für interreligiösen Dialog zuständig, kann sich das vorstellen: „Die Moschee ist ein universelles Gebäude. Es kommt auf den Einzelfall, die jeweilige Gemeinde und deren Befindlichkeit an.“