Bettina Wassermann mit Pauline und Elian sowie dem Ärztlichen Direktor der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe des Marienhospitals, Manfred Hofmann, und der Oberärztin Renu Buss-Steidle (von links). Foto: Marienhospital Quelle: Unbekannt

Stuttgart (red) - Vor gut zwei Jahren brachte Bettina Wassermann ihr erstes Kind zur Welt. Sie war die erste Frau in Baden-Württemberg, die nach der Kältekonservierung von Eierstockgewebe schwanger wurde, das man ihr vor einer Brustkrebstherapie entnommen hatte. Über das kleine medizinische Wunder wurde damals bundesweit berichtet. Jetzt durfte die ehemalige Brustkrebspatientin der Frauenklinik des Marienhospitals ihr zweites „kleines Wunder“ in die Arme schließen.

4450 Gramm, 57 Zentimeter groß und putzmunter: der kleinen Pauline sieht man nicht an, dass sie auf unkonventionelle Art auf die Welt kam. „Ich habe im Jahr 2010 einen Knoten in meiner rechten Brust ertastet, schnell stand dann die Diagnose Brustkrebs fest“, so die 39-Jährige. „Ich fragte mich zunächst nur, ob ich die Krankheit überleben würde. Was danach kam, spielte erst einmal keine Rolle“, erinnert sich die gebürtige Sigmaringerin. „Heute bin ich den Ärzten des Marienhospitals sehr dankbar, dass sie mich sofort fragten, ob ich irgendwann Kinder wolle. Und dass sie mir, als ich das bejaht hatte, den Tipp gegeben haben, mich an die Heidelberger Uniklinik zu wenden, um Gewebe meiner Eierstöcke vor der Chemotherapie einfrieren zu lassen“, so Wassermann.

„Durch die Chemotherapie ist die Fruchtbarkeit von Brustkrebspatientinnen häufig eingeschränkt“, erläutert Manfred Hofmann, der Ärztliche Direktor der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe des Marienhospitals. Schon länger sei es daher möglich, dass Frauen einige ihrer Eizellen einfrieren und sich nach der Chemotherapie wieder einpflanzen lassen. „Das habe ich auch machen lassen, aber man sagte mir, dass es noch eine weitere ganz neue Möglichkeit gibt. Deshalb sind die Ärzte bei mir zweigleisig vorgegangen“, sagt Wassermann. „In Heidelberg war erst kurz vor meiner Erkrankung ein Verfahren ausprobiert worden, das Frauen nach einer Chemotherapie zu einem Kind verhelfen sollte“, so die Patientin. Es war zwar bis zu diesem Zeitpunkt in Deutschland noch kein einziges Kind mithilfe der neuen Methode auf die Welt gekommen, „aber da es sich um einen kleinen, nur 20 Minuten dauernden Eingriff handelte, wollte ich es zumindest ausprobieren“, erinnert sich Wassermann. Ihr wurde in der Kinderwunschambulanz der Heidelberger Uniklinik ein Drittel vom linken Eierstock entfernt. „Die zehn jeweils rund fünf Millimeter großen Gewebestücke wurden dann in einem Institut der Bonner Universitätsklinik kryokonserviert, also in flüssigem Wasserstoff tiefgefroren. Das Gewebe sollte erst nach der Chemotherapie wieder eingesetzt werden.“

Es folgte die Krebsbehandlung am Brustzentrum des Marienhospitals mit Operation, Bestrahlung und Chemotherapie. „Die Marienhospital-Ärzte schafften es, meinen Brustkrebs zu heilen. Die Behandlung erfolgte brusterhaltend, es blieb mir also eine Brustamputation erspart“, sagt die Architektin. Im Dezember 2013 entschied sie sich gemeinsam mit ihren Ärzten, das Eierstockgewebe zurückzuverpflanzen. „Das geschah wieder in einem kleinen Eingriff in Heidelberg.“ Und Wassermann hatte Glück. Die Rückverpflanzung gelang auf Anhieb. „Ich hatte mich nach der Chemo wie in den Wechseljahren gefühlt. Kurze Zeit nach der Rückverpflanzung fühlte ich mich aber wieder besser, denn mein Körper produzierte wieder Östrogen und mein Monatszyklus kehrte ganz normal zurück.“ Schon im April darauf war Wassermann schwanger. Zur Entbindung ging sie wieder ins Marienhospital.

Nach einer ganz normal verlaufenden Schwangerschaft kam dann am 23. Dezember 2014 der kleine Elian gesund und munter auf die Welt. „Mit meiner gesunden Brust konnte ich meinen Sohn sogar stillen“, sagt Wassermann. Und sie hatte sogar nochmals Glück und wurde ein zweites Mal Mutter. Im August 2016 wurde ihr in Heidelberg der Rest des Eierstockgewebes eingesetzt, das man vor ihrer Krebsbehandlung tiefgefroren hatte. Einige Wochen später setzte Wassermanns Zyklus wieder ein und sie wurde erneut schwanger. Mit ihrer gesunden Brust stillen, will sie auch Töchterchen Pauline wieder, die sie Ende Juli nach einer anstrengenden, aber völlig normal verlaufenden Spontangeburt im Empfang nehmen konnte. Bundesweit dürfte Bettina Wassermann erst die zweite Mutter sein, die nach Kryokonservierung von Eierstockgewebe ihr zweites „kleines Wunder“ erleben konnte.