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Die Anmeldungen in den Tanzschulen steigen. In Stuttgart widmet sich eine eigene Messe nun dem Thema Tanz. Warum ist Tanzen so beliebt?

Stuttgart (dpa/lsw)Ein Mann um die 50 legt sein Jackett beiseite, immerhin soll er gleich mit dem Hintern wackeln wie Popstar Beyoncé. Zur Eröffnung der Tanzmesse «Danceworld» in Stuttgart haben sich rund 50 Menschen vor einer Bühne versammelt – oben gibt Choreograph und Kompanieleiter Eric Gauthier die Schritte vor. «Wir wollen hier Tanz zu mehr Menschen bringen. Auch zu solchen, die denken: Ich kann nicht tanzen», sagt Gauthier später. Er ist Mitorganisator der Messe, die zum ersten Mal in Stuttgart veranstaltet wird. Dort präsentieren sich Tanzschulen aus München oder Berlin, ebenso wie Physiotherapeuten für Breakdancer oder Tanzmode-Verkäufer.

Eine eigene Halle füllt die «Danceworld» im Premierenjahr nicht - die rund 40 Stände wurden in einem Durchgangsbereich während der Stuttgarter Frühjahrsmessen aufgestellt. Herzstück der Tanzmesse sind die Workshops. Es gibt sie für Salsa und für Gardetanz, neben erotischer Burlesque steht Ballett auf dem Programm. Manche sind für Anfänger ausgelegt, andere richten sich an Fortgeschrittene. In einigen können Tänzer direkt für Schulen vortanzen. Die Organisatoren wollen aber auch mit bekannten Namen locken. Am Samstag wird «Let's Dance»-Jurorin Motsi Mabuse Samba und Latin unterrichten. Der aus derselben Show bekannte Joachim Llambi ist am Sonntag mit Walzer, Cha-Cha-Cha und Rumba dran.

Die Fernsehsendung hat auch den deutschen Tanzschulen Zulauf beschert, wie Heidi Schumacher vom Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband (ADTV) erzählt. «Die Tanzschulen boomen gerade. Es werden händeringend Tanzlehrer gesucht.» Nach Schätzungen des Verbands sind in den rund 800 ADTV-Tanzschulen rund zwei Millionen Menschen angemeldet - Statistiken gebe es aber nicht.

Der Trend zum Tanzen sei bereits seit einigen Jahren festzustellen und Tanzshows im Fernsehen bei weitem nicht der einzige Grund, so Schumacher. «Tanzen ist unter anderem auch soziale Aktivität. Der ADTV glaubt, je mehr Menschen allein vor ihren Computern sitzen, desto mehr brauchen sie eine Option, wie sie mit anderen Menschen in Kontakt treten können.» Auch die Themen Gesundheit und Fitness spielten eine zentrale Rolle.

Viele Tanzschulen haben in den vergangenen Jahren umgerüstet. In der Tanzschule Gutmann in Freiburg gibt es seit drei Jahren ein Kurssystem ähnlich wie in Fitnessstudios. Die Tänzer können frei entscheiden, an welchem Tag in der Woche sie die Stunde besuchen, erklärt Chef Matthias Blattmann. Im Programm müssten selbstverständlich auch Trends berücksichtigt werden – wie etwa der West Coast Swing.

Die Angebote der Tanzschulen reichen vom Babytanzen und Kursen für stillende Mütter bis hin zum Rollator-Tanzen. In der Tanzschule Dieter Keller in Berlin gibt es, ebenso wie in vielen anderen Schulen, spezielle Kurse für Singles. «Wir nennen sie scherzhaft auch analoges Tinder», erzählt Inhaber Sebastian Keller. «Man bleibt nicht länger als fünf Minuten bei demselben Partner, es wird ständig gewechselt. Man lernt tanzen und gleichzeitig ganz viele Leute kennen. Dadurch entstehen halt manchmal auch Beziehungen.»

Der Tanzschulbesuch sei vor einiger Zeit von vielen noch als uncool wahrgenommen worden, sagt Schumann vom ADTV. «Jetzt sind auch wieder extrem viele junge Leute dabei.» Die lernen heute nicht mehr im Benimmkurs den Knigge, sondern in Anti-Blamier-Seminaren. Dort wird auch das richtige Verhalten in Bewerbungsgesprächen geübt - «und nicht mehr, dass im Sitzen die Knie zusammen sein sollen, wie ich es damals noch gelernt habe.»

Und viele lernen in der Tanzschule nicht mehr Paartanz. So wie die zwülf Jahre alte Katharina. Sie improvisiert auf der Stuttgarter Tanzmesse gerade Bewegungen zu Hip-Hop-Beats. Damit muss sie die Jury beeindrucken - Battle, also Kampf, heißt das. Am Ende wird aber Gegnerin Elisa ins Finale einziehen und den Titel holen. Die 15-Jährige ist wie viele andere Besucher an diesem Messetag gemeinsam mit ihrer Tanzschule gekommen. Neben den Kindern und Jugendlichen schauen an den Ständen viele Menschen zufällig auf dem Weg zu anderen Messen vorbei.

Organisator Eric Gauthier hofft, möglichst viele von diesen Zufallsbesuchern für das Tanzen zu begeistern. Nach seinem Blitzworkshop zur Eröffnung muss er aber erstmal kurz durchatmen. Es kostet auch Energie, so viele Menschen zum Tanzen zu bewegen.