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Im vergangenen Jahr hat der VVS so viele Fahrgäste befördert wie nie zuvor. Ein kostenloser Nahverkehr würde das System aber kollabieren lassen.

Stuttgart Im 40. Jahr seines Bestehens schreibt der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) neue Rekorde bei Fahrgastzahlen und Einnahmen. Die Jahresbilanz 2017 des Verkehrsverbands, die gestern vorgestellt wurde, weist gegenüber dem Vorjahr erneut ein Plus von 2,3 Prozent bei den Passagieren auf. Damit liegt sie um knapp ein Prozent über dem bundesweiten Zuwachs von 1,4 Prozent. Der VVS verzeichnete im vergangenen Jahr 382 Millionen Fahrten mit Bussen, Stadt- und S-Bahnen. Die Fahrgeldeinnahmen lagen bei 533 Millionen Euro und damit 3,3 Prozent über dem Ergebnis des Vorjahres.

Der Aufsichtsratsvorsitzende des VVS, Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne), sprach von einem „sensationellen Ergebnis“. Die Strategie des VVS, mit vergünstigten Angeboten speziell während der Feinstaub-Alarmzeiten seine Attraktivität zu steigern, sei voll aufgegangen: „Das Jobticket etwa brummt ohne Ende“, lobte Kuhn das von ihm selbst inszenierte Firmenticket, mit dem mittlerweile etwa 620 Firmen in der Region die Fahrten ihrer Beschäftigten mit dem öffentlichen Nahverkehr bei Feinstaubalarm subventionieren.

Das sogenannte Ausbildungs-Abo hat im Jahresvergleich um 24,7 Prozent zugelegt. Bei den Tagestickets verzeichnet der VVS ein Plus von 14,4 Prozent. Bewährt haben sich laut VVS-Geschäftsführung dabei speziell das Feinstaubticket zum halben Preis sowie das ermäßigte Umwelt-Tagesticket. Rückläufig sind die Zahlen dagegen beim sogenannten 9-Uhr-Umweltticket (minus 5,3 Prozent). VVS-Geschäftsführer Horst Stammler hob hervor, dass die Zahl der Abo-Stammkunden mit derzeit mehr als einer halben Million Fahrgäste kontinuierlich gewachsen sei – und das trotz regelmäßig auftretender Verspätungen im S-Bahn- und Regionalverkehr und trotz weiterhin steigender Kfz-Zulassungszahlen. Sein Kollege Thomas Hachenberger führt dies neben der generell vorhandenen Bereitschaft der Menschen zum Umstieg auf den ÖPNV auch darauf zurück, dass das Leistungsangebot des VVS so groß sei wie nie. Als Beispiele nannte er den Einstieg in den ganztägigen 15-Minuten-Takt bei der S-Bahn, den sukzessiven Ausbau des Stadtbahnnetzes in Stuttgart sowie den Einsatz von Expressbuslinien.

Kuhn nutzte die Gelegenheit, erneut seine Skepsis zu der Berliner Idee eines zeitweilig kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs an Tagen mit hoher Luftschadstoffbelastung zum Ausdruck zu bringen. Er sprach von einer „Nebelkerze“ der Bundesregierung. Während Stammler noch vorsichtig formulierte, ein solches Angebot würde den VVS vor „sehr große Herausforderungen“ stellen, wurde der Rathauschef deutlicher: „Das könnten unsere Verkehrssysteme gar nicht aufnehmen.“ Der OB plädiert stattdessen für eine stärkere Förderung der Infrastruktur durch den Bund.

In der Mache hat der VVS eine große Tarifreform, die das Zonen- und Sektorensystem für die Fahrgäste übersichtlicher gestalten soll. In der kommenden Woche trifft sich dazu der Aufsichtsrat, um verschiedene Modelle zu diskutieren. Der VVS beziffert die Kosten für eine solche Reform – je nach Umfang der Operation – auf zehn bis 60 Millionen Euro.