Von Elisabeth Maier

Engstirnige Eigenbrötler, das sind die Bewohner von „Ecosphere 2“, einer schönen neuen Welt unter der Glaskuppel. In der Wüste von Arizona haben Investoren das futuristische Fantasieland unter einer Glaskuppel realisiert. Acht Auserwählte proben da das Leben nach der Klimakatastrophe. Unmengen von Strom sichern die Existenz dieses künstlichen Konstrukts. Tom Coraghessan, kurz T.C., Boyle blickt in seinem neuen Roman „Die Terranauten“ (Hanser Verlag, 26 Euro) in die Köpfe der Öko-Elite, die doch nur aus verletzten, verdammt einsamen Menschen besteht. Inspiriert vom realen Biosphären-Projekt in der Wüste, denkt der amerikanische Starautor über die hässliche, von kapitalistischer Gier getriebene Seite der Wissenschaft nach.

Das tut der Poet in einer sinnlichen, bildgewaltigen Sprache. Wie klare, griffige Beats eines Songs hämmern seine Worte. Der Erzählstil des Amerikaners zieht die Leser auch in seinem jüngsten Werk in den Bann, und auch nach 600 Seiten ist die Spannungskurve noch nicht ausgeleiert. Eigene Erfahrungen mit Sex und Drogen reflektiert er ebenfalls. Virtuose Wechsel der Perspektive machen den Reiz von Boyles Roman aus. Das Leben unter der Glaskuppel, das durch Liebe und Schwangerschaft aus den Fugen gerät, beleuchtet er aus der Perspektive der Hauptfiguren Dawn, Ramsay und Linda. Während die ersten beiden es geschafft haben und zwei Jahre lang in der hermetisch abgeriegelten Welt leben dürfen, ist Linda auf der Seite der Verlierer. Sie darf nur Dienste für die anderen verrichten, die drinnen sind. Eine Konstellation, die Wut und Eifersucht gebiert. Boyles Blickwechsel faszinieren.

Der Autor, der dem historischen Roman in den USA zu neuer Blüte verhalf, erzählt alltägliche Geschichten von Menschen, die sein Publikum kennt. Sie scheitern am amerikanischen Traum, an der von Ehrgeiz und Leistungsdenken zerfressenen Welt. Neuere Geschichte beleuchtet der Autor kritisch. In seinem ersten von 16 Romanen - „Wassermusik“ von 1982 - blickt er ins Innere des afrikanischen Kontinents, untersucht Mechanismen des Kolonialismus. In „Amerika“ (amerikanisch: „The Tortilla Curtain“) legt er 1995 den Rassismus der US-Gesellschaft offen, die mexikanische Einwanderer wie Menschen zweiter Klasse behandelt.

Gesellschaftskritischer Klartext, gepaart mit einer poetischen, ja spielerischen Sprache, macht den Reiz von Boyles Romanen und Kurzgeschichten aus. Ihn interessiert die Kehrseite des „Landes der unbegrenzten Möglichkeiten“, das die Verlierer des Systems eiskalt beiseite schiebt.