Quadratische Fläche statt runder Arena: Das ist neu in der sozialdramatischen Dressur- und Zirkuswelt von Marcel Kellers „Woyzeck“-Inszenierung. Foto: Björn Klein - Björn Klein

Marcel Kellers grandiose Inszenierung des Dramas des Soldaten Woyzeck von Georg Büchner kam 2014 an der Esslinger Landesbühne heraus. Jetzt wird sie wiederaufgenommen.

EsslingenDie Jahrmarkt-Szenerie, die Fassung von Robert Wilson mit den Songs von Tom Waits, die filmschnittartige Fokussierung – all das bleibt erhalten, wenn an diesem Sonntag Georg Büchners „Woyzeck“ in Marcel Kellers grandioser Regie wieder auf die Esslinger Landesbühne (WLB) kommt. Nur das Bühnenbild, das Keller bei seinen Esslinger Inszenierungen stets selbst entwirft, ist verändert – zunächst aus rein außerkünstlerischen Gründen: Die Produktion aus dem Jahr 2014 war eigentlich schon „abgespielt“, wie es im Theaterjargon heißt. Mangels Lager- und Logistikmöglichkeiten, erklärt WLB-Chefdramaturg Marcus Grube, ging das Bühnenbild nicht in den Fundus, sondern in die Entsorgung. Also musste ein neues her für die Wiederaufnahme, die nun dank großer Nachfrage – vor allem von Schulklassen – zustande kommt.

In seinen Neuentwurf hält Keller an der ursprünglichen Szenerie fest. Mit einer Ausnahme: Die runde Arena inmitten der sozialdramatischen Dressur- und Zirkuswelt ist „durch ein über Eck gedrehtes Quadrat ersetzt“, sagt der Regisseur. Und warum? „Dadurch entsteht eine gewisse Asymmetrie, die es leichter macht, Spannungsverhältnisse zwischen den Darstellern zu erzeugen. In dem Kreis war das schwieriger.“ Auf der Bühne steht das nahezu unveränderte Ensemble mit dem überragenden Florian Stamm in der Titelrolle. Nur die Rolle des schwachsinnigen Karl wird von Markus Michalik statt von Marie Mayer gespielt.

Das Drama des Soldaten Woyzeck, der sich, seine Freundin Marie und seinen kleinen Sohn mit entwürdigenden Nebenjobs über Wasser halten muss, habe seit 2014 eher noch an Aktualität gewonnen, sagt Keller: „Die Empathielosigkeit im Umgang der Menschen, die Thema des Stücks ist, nimmt ständig zu.“ Woyzeck, gestriezt von einem sadistischen Hauptmann, gedemütigt von einem zynischen Mediziner, wird vom Opfer zum Täter und bleibt doch Opfer: Er beschließt, die fremdgehende, nach sozialem Aufstieg schielende Marie zu töten. Das Klischee des abgehängten, von dumpfen Instinkten getriebenen Underdogs, der aus Sprachnot und Bewusstseinsmangel seine Lage weder artikulieren noch überschauen kann, bedient Kellers Inszenierung allerdings nicht. Hier reflektiert Woyzeck präzis, was um ihn und mit ihm geschieht – aber „in seiner eigenen Sprache, die keine andere Figur des Stücks teilt“. Würde Keller das heute genauso inszenieren? „Ja. – auch aus zeitlicher Distanz betrachtet.“

Die Wiederaufnahme-Premiere beginnt am kommenden Sonntag, 9. Dezember, bereits um 18 Uhr im Esslinger Schauspielhaus. Es gibt noch Restkarten.