In großen Schwarzweiß-Fotos Foto: Elke Eberle - Elke Eberle

Die Städtische Galerie erinnert jetzt mit einer Ausstellung an die 1992 entstandene Landschafts-Installation „Four Part Piece“ und die folgenden Kontroversen.

OstfildernDas heftig umstrittene, mehrteilige Mauer-Kunstwerk „Four Part Piece“ von Sol LeWitt aus dem Jahr 1992 ist inzwischen ein Teil der Geschichte Ostfilderns – und spiegelt zugleich einen Teil der Geschichte der 1975 zusammengewürfelten Reformstadt. An vier markanten Stellen auf den ehemaligen Gemarkungsgrenzen zwischen den heutigen Stadtteilen stehen die vier Meter breiten und fünf Meter hohen, aus weißem Kalksandstein mit großer Handwerkskunst gemauerten Wände. Mal eine, mal zwei, mal drei, mal vier. Sie berühren sich nicht. „Jeder Stadtteil hat seine eigene Identität, seine eigene Geschichte, seinen eigenen Stolz“, sagt dazu der frühere Ostfilderner Oberbürgermeister Herbert Rösch, unter dessen Regie „Four Part Piece“ realisiert wurde. Sol LeWitt selbst, so Rösch, habe jedoch immer eine Interpretation verweigert.

Die Arbeit des 2007 gestorbenen US-amerikanischen Minimalisten und Konzeptkünstlers entstand vor über einem Vierteljahrhundert im Rahmen des Skulpturenprojekts „Platzverführung“ der KulturRegion Stuttgart. Jetzt erinnert die Ausstellung „stein reich“ in der Galerie der Stadt Ostfildern an die Hintergründe und die kontroverse Rezeption des Werks. Zudem werden markante und überraschende Arbeiten Sol LeWitts gezeigt – eines Künstlers, der Kunstgeschichte geschrieben hat.

„Olympischer“ Hintergrund

Im Gespräch mit Galerieleiterin Holle Nann ließ Rösch bei der Eröffnung die damaligen Ereignisse Revue passieren: Anfang der 90er-Jahre hatte sich Stuttgart für die Austragung der olympischen Spiele bewerben. Die Idee, eine KulturRegion zu etablieren, sei im Vorfeld der Bewerbung entstanden, um die Region einzubinden. Kuratoren mit internationalen Kontakten haben dann für das Projekt „Platzverführung“ prominente Künstler in die 24 teilnehmenden Kommunen vermittelt. So kam der weltweit renommierte Sol LeWitt nach Ostfildern.

Aber: „Wir hatten ein Konzept, einen Plan, einen Handwerker, aber noch kein Geld“, so Rösch. Die Kosten beliefen sich damals auf 80 000 Mark. Schließlich konnte eine Reihe von Sponsoren begeistert werden. „Und als ich das Kunstwerk das erste Mal blütenweiß gesehen habe, da ging mir das Herz auf“, bekennt Rösch. Fasziniert ist er bis heute davon, wie sich die Landschaft und ihre Wahrnehmung mit der Skulpturengruppe verändert: „Wenn sie weg wäre, würde mancher sagen: Da fehlt etwas.“

Nun aber müssen die Mauer-Skulpturen bald restauriert werden. Davor ist eine genaue Bestandsaufnahme notwendig. Dazu gibt es verschiedene Ideen, unter anderem eine Kooperation mit Studenten der Stuttgarter Kunstakademie und Roland Lenz, Professor für Konservierung und Restaurierung. Die geschätzten Kosten liegen bei rund 100 000 Euro. Ob er sich vorstellen könne, sich noch einmal auf den Weg zu machen, um Sponsoren zu finden? Diese Frage stellte Rösch sich selbst. Beantwortet hat er sie abschließend noch nicht. Er gab aber ein klares Statement ab, dass die Sanierung das Kunstwerk zumindest für die nächsten drei bis fünf Jahrzehnte erhalten möge. Der Herzenswunsch dürfte neben der Wertschätzung der Werke wohl auch zurückgehen auf eine Begegnung mit Sol LeWitt, die Herbert Rösch in bester Erinnerung geblieben ist: „Er hat die Stadt genau angeschaut und dann sein Konzept entwickelt. Und er war ein Mann von großer Bescheidenheit.“

Sol LeWitts Landschafts-Installation „Four Part Piece“ bleibt indes eine Herausforderung. Sie provoziert manche zu einem schnellen und manchmal vernichtenden Urteil, andere zum Innehalten, zum Nachdenken, zum Schauen und vielleicht gar zum Staunen.

Öffnungszeiten: Die Ausstellung findet statt in der Städtischen Galerie Ostfildern (Stadthaus im Scharnhauser Park, Gerhard-Koch-Straße 1). Sie dauert bis 14. Januar 2020 und ist dienstags und donnerstags von 15 bis 19 Uhr, samstags von 10 bis 12 Uhr und sonntags von 15 bis 18 Uhr geöffnet.

Führungen: Am 1. und am 26. Dezember beginnen Führungen jeweils um 16 Uhr. Am 29. November werden bei einer geführten Rundtour ausgewählte Kunstwerke im öffentlichen Raum vor Ort besichtigt und Ateliers von Künstlern besucht. Anmeldung ist erforderlich unter www.ostfildern.de/galerie.

Expertengespräch: Am 3. Dezember beginnt um 18.30 Uhr in der Städtischen Galerie Ostfildern ein Expertengespräch mit Hannelore Paflik-Huber und den Restauratoren Roland Lenz und Denise Madsack.