Quelle: Unbekannt

Von Angela Reinhardt

Stuttgart - Was mag das für ein Abend werden, den wir uns schon vorab schönsaufen sollen? Höchstpersönlich verteilen die drei Komikerstars Wodka im Publikum, in homöopathisch kleinen Schnapsstamperln zwar statt in den Russland-üblichen Wassergläsern, aber dafür stapfen sie durchs Auditorium wie die reinsten Ostspion-Klischees: Ohrenklappen, Pelzmantel, feiner Zwirn drunter.

Der KGB ist los und reaktiviert drei Ex-Topkomiker fürs operative Geschäft, genauer gesagt Otto Kuhnle, Michael Gaedt und Roland Baisch aus, Achtung: Korntal, Gmünd und Berlin. Aus ihren Biografien züngelt die geballte Comedy-Kraft dreier „Exen“ - Ex-Comedy-Factory, Ex-Kleine-Tierschau, Ex-Scherbentheater, Ex-Shy-Guys und noch mehr legendärer Komiker-Ruhm, zusammen prahlen sie mit über 11.000 Auftritten und vereinten 180 Jahren. Im Theaterhaus treten sie zum ersten Mal gemeinsam auf und respektieren sich dabei mit der generösen Jovialität von Honoratioren-Schwaben: „Wenn wir es zwei Stunden miteinander auf der Bühne aushalten, dann können das auch Länder wie die USA und Nordkorea“. Mit leicht gelupften Augenbrauen sprechen sich unsere Friedensapostel per „Herr Baisch“ oder „Herr Kuhnle“ an - zwar werfen sie sich selten kleine Sarkasmen an den Kopf, aber ein wenig mehr Biss im Umgang miteinander wäre dem Abend schon zuträglich gewesen.

Russische Volxmusik

Aus den Lautsprechern dröhnt russische Volxmusik, die Mischung aus Kasatschok und Ska setzt mit ihrer kaum aus dem Ohr zu kriegenden Fröhlichkeit den Ton des Abends: „Und der Jubel rollt“ heißt die Revue aus Ostalgie, postpubertärem Schweinkram und Zirkus. Sie tändelt zunächst mit Quatsch-Songs heiter dahin oder mit einer Steppeinlage von Gaedt, deren Enthusiasmus die recht unorthodoxe Armhaltung überstrahlt. Kuhnle, gönnerisch als „Fiat Multipla der klassischen Musik“ angekündigt, ergeht sich zierlich in der Arie der Königin der Nacht, wobei er manch glitzernde Koloratur durch kräftiges Durchwalken seiner Männlichkeit generiert. Gewandt verwandeln die Musiker „Alle meine Entchen“ in Dvoraks „Moldau“ und „Spiel mir das Lied vom Tod“ in Chopins Trauermarsch, rein musikalisch macht der Abend mächtig Spaß, mit Akkordeon-begleiteten Couplets, ansatzweisem New-Orleans-Jazz oder russifizierter Country-Musik. Gespielt wird auf allen Arten von Zupfinstrumenten, Saxofonen, Schlagzeug, Kinderxylophon oder Mundharmonika, Gaedts Steel Drum ist von Gazprom gesponsert und Kuhnle tituliert seine Ukulele liebevoll-schwäbisch Ukulelele.

Für Baischs Song „Rumbalotte“ über die Überlegenheit des russischen Mannes hole man sich die Erklärung bitte direkt in der Aufführung ab, auf die Melodie von „The Lion sleeps tonight“ dichten sie „Putin reitet durch die Nacht“, bevor mit Druschba, Druschba Täterä gemütlich „Auf der Transsib-Eisebahna“ gefahren wird. Das Wodka-betüterte Publikum („Kann sein, dass Sie morgen alle blind sind“) geht derart mit, dass es die Mitmachsongs auch mal alleine weitersingt, mit zarten Pianissimo-Responsorien tendiert die Stimmung kurzfristig fast zur Rührung. Insgesamt aber gerät die erste Hälfte doch arg Penis-fixiert, bevor sich der Weltweihnachtszirkus durchsetzt - mit Gaedts immer noch mild fäkaler, aber wirklich lustiger Dressurnummer für drei Kloschüsseln, „die letzten freilebenden schneeweißen Tiefspüler“, deren deckelklappendes Brüllen er todesmutig domestiziert. Das Modell „Standard“ kann doch tatsächlich Bälle balancieren! Kuhnle lässt Unmengen von Tischtennisbällen in seinen Hamsterbäckchen verschwinden und schindet, „It’s mätschick!“, ganz entzückend Applaus. Es gibt Sargreiten und eine singende Säge, später schießen sie sich mit Schleuderbrettern todesmutig Wodkagläser um die Ohren, Roland Baisch gräbt den Klappstuhl aus und bläst sich als Donald Trump auf. Wir lernen korrektes Disco-Tanzen mit Max Greger und hören sämtliche Songklassiker, die auch nur entfernt mit Russland zu tun haben. Gaedts Flamenco ist besser als sein Stepptanz, Baischs Flamenco-Parodie ist noch besser, und so richtig fies kommentieren sie das allgemeine Herumdrucksen und In-die-Luft-Flöten des Publikums bei der Suche nach einem Mitspiel-Opfer. Die Zuschauer gehen großartig mit, aber drei, vier Gags verrecken bei der Premiere doch gnadenlos, erstaunlicherweise auch der über den russischen Regisseur, der heute leider nicht persönlich kommen konnte. Baisch nimmt’s mit Zynismus und freut sich nach zwei versenkten Pointen: „Ich hab einen Lauf!“

Die perfekte Mischung aus Comedy und Zirkus trifft schließlich die Laubsauger-Jonglage von Otto Kuhnle, der, das knallrote Gerät gezückt wie Schwarzenegger eine Maschinenpistole, Tücher lyrisch ins Schweben schießt und mit Klopapierrollen in die Luft schreibt. Am Ende wird’s nochmal philosophisch, aber irgendwie ergibt die traute Altherren-Albernheit einen doch erstaunlich lustigen Comedy-Abend. Auch ohne Wodka.

Weitere Vorstellung: täglich bis kommenden Samstag.