Vater redet, Sohn schweigt: Peter Kaghanovitch (re.) und Felix Jeiter. Foto: D. Aldinger - D. Aldinger

Jürgen Esser inszeniert an der Esslinger Landesbühne die Uraufführung von „Das Ende ist mein Anfang“ nach dem Bestseller Tiziano Terzanis.

EsslingenBruno Ganz hatte es gut: Er durfte den italienischen Journalisten Tiziano Terzani in spektakulärer toskanischer Hügellandschaft spielen. Der todkranke Terzani hatte dort eine Hütte bezogen, um darin die letzten Wochen seines Lebens zu verbringen. Im Kinofilm „Das Ende ist mein Anfang“ von 2010 hockt der 65-Jährige des Öfteren auf einem Berg mit Blick auf grüne Täler, um wider den Konsumterror zu predigen oder sich über die Angst vor dem Tod zu wundern, die er selbst dank Erleuchtungsreise in den Himalaya meint, überwunden zu haben.

Da hat es Peter Kaghanovitch im Podium des Esslinger Schauspielhauses schon schwerer, sein Publikum für seine Suaden zu gewinnen, darf er doch den hermetischen Raum des Wohnzimmer-Bühnenbildes von Frank Chamier, wo er das Sofa hütet, nicht verlassen. Nur ab und zu humpelt er mit schmerzverzerrtem Gesicht und gestützt auf einen Knüppelstock ein paar Schritte oder manövriert sich gequält in Yoga-Stellungen. Wie den Original-Terzani und wie auch Bruno Ganz ziert ihn ein weißer Gottvater-Rauschebart und ein weißes Guru-Gewand.

Das Drehbuch des Films, das auf den gleichnamigen Buchbestseller zurückgeht, ist Grundlage der von Jürgen Esser inszenierten Theater-Uraufführung an der Esslinger Landesbühne: 2004 bat der berühmte Vater seinen Sohn zum Gespräch, um ihm zwecks Verschriftlichung Erinnerungen, Gedanken über den Tod und das Abschiednehmen und was ihn sonst noch bewegte mitzuteilen.

Nun ist Terzani natürlich eine sehr interessante Journalisten-Persönlichkeit. Fast drei Jahrzehnte lang traute er sich als Asien-Korrespondent mit viel Mut und analytischem Verstand in Kriegsgebiete und andere Krisenherde. Sein späterer und recht subjektiver Rückblick aber auf politische Zustände, sein ausuferndes Nachdenken über Kommunismus, Konsumismus und Kapitalismus, das Enttäuschung und Frustration verrät, oft genug auch in Plattitüden abrutscht, ist fürs Theater unergiebig. Und seine Ergüsse zu existenziellen Fragen wie dem Tod werden bald unerträglich, weil sie sich – man kann es nicht anders sagen – aus kitschiger Esoterik speisen.

Das Problem des Zwei-Personen-Texts ist zudem, dass er eigentlich ein Monolog ist. Regisseur Esser hat zusammen mit Stefanie Witzlsperger das Drehbuch von Folco Terzani und Ulrich Limmer fürs Theater umgearbeitet, mit dem Ziel, den Konflikt zwischen übermächtigem Vater und Sohn zu thematisieren. Aber davon passiert nichts auf der Bühne. Wie auch, wenn meist nur einer redet? Kaghanovitch bewältigt seinen Zwei-Stunden-Monolog erinnerungstechnisch beeindruckend. Freilich lässt er Terzani recht eindimensional sprechen, lange Strecken in salbungsvollem, oft auch pathetischem Tonfall, ohne ironische Brechungen, ohne Distanz oder andere Farben, die vielfältigere Bedeutungsebenen in den Text bringen würden.

Felix Jeiter als Folco hat den äußerst undankbaren Job eines fast stummen Zuhörers, den selbstgerechten Endlospredigten des Vaters zugewandt. Fast immer hat die Videokamera Jeiters Gesicht im Visier, das als Großbild an die Wohnzimmerwand geworfen wird – aber ablesen kann man am Mienenspiel nicht viel. Kurze Zwischenfragen, das An- und Ausstellen des Aufnahmegeräts, manchmal neben dem Vater auf dem Sofa hocken: Mehr ist nicht drin für Jeiters Folco. Er bleibt auf der Bühne ein Fremdkörper – einsam in der Zweisamkeit. Während der alte Terzani oft larmoyant, naiv esoterisch, vor allem ungeheuer selbstbezogen bis arrogant wirkt. Ob das alles wirklich so gewollt ist?

Die nächsten Vorstellungen: 27. September, 7. und 17. Oktober.