Von Verena Großkreutz

Stuttgart - Immer in Bewegung, in höchster Anspannung: Das Henschel-Quartett ist getrieben von großem Ausdruckswillen. Das international erfolgreiche Streichensemble, das jetzt wieder zu Gast war in der Russ-Kammermusikreihe im Mozartsaal, ist kein Schönklang-Quartett, sondern eines, das den rauen Ton pflegt. Risikoreich stürzt man sich in Fortissimo-Ausbrüche, pfeift auf Homogenität, sucht in Melodien nicht das Süffige, sondern das Kahle, Fahle, Kühle. Das verleiht Mozarts spätem „Dissonanzen“-Quartett, in dem die Henschels das, was dem Stück seinen Beinamen einbrachte, bis zum Anschlag auskosten, eine gewisse utopische Kraft. Allein die langsame Einleitung mit ihren chromatischen Querständen und Reibungen klingt beim Henschel-Quartett noch krasser, als man’s gewohnt ist. Dicht, dunkel und kriechend fügen sich die Stimmen ineinander, auf jeden Versuch verzichtend, etwas Milderung hineinzuspielen in die harmonischen Ungeheuerlichkeiten - was unterstrichen wurde vom gelegentlichen unschönen Portamento-Rutschen des Primarius Christoph Henschel. Selbst dem Menuett wird jede mozärtelnde Leichtigkeit und Fröhlichkeit ausgetrieben.

Solch energiegeladene Rauheit, gepaart mit rhythmischer Härte, passt natürlich auch gut zu Erwin Schulhoffs erstem Streichquartett, komponiert 1925, in dem die Henschels mit kräftig-deftigem Zugriff und gutem Gespür fürs Groteske, Pointierte und flirrend Fahle ihr Publikum bei Laune halten. Dass das Quartett den Lautstärkepegel gerne hochhält und zudem farblich grobkörnig arbeitet, tut aber nicht jedem Werk gut. Schuberts final gespieltes Quartett „Der Tod und das Mädchen“ jedenfalls litt unter der kühlen, schroffen Artikulation und dem Dauerdruck, der intonatorische Schlacken und Ungenauigkeiten im Zusammenspiel zur Folge hatte. Die Läufe speziell vom Primarius wirkten rasch gehetzt, seiner atemlosen Phrasierung fehlte Wärme. Im Begleitmodus artikulierte er gelegentlich zu aggressiv und schrill, übertönte beinahe die schönen Cellosoli von Mathias Beyer-Karlshøj. Und weil sich auch Catalin Desaga an der zweiten Violine und Bratschistin Monika Henschel klanglich überdimensioniert artikulierten, begann das Scherzo schon bald zu kreischen. Das Finale, das den Energieschüben noch ein „Presto“ draufzusetzen hatte, verkam mehr und mehr zu lärmendem Gewusel. Die Musik atmete nicht mehr. Und so sehr sich viele im Mozartsaal am Ende auch freuten - diese Interpretation ließ einen kalt, eiskalt.