Sänger Axl Rose und Gitarrist Slash sind rüstig geblieben. Foto: dpa - dpa

25 Jahre nach ihrem letzten Besuch sind die Rockstars mit einem Mammutkonzert nach Baden-Württemberg zurückgekehrt. Da wird in jeder Hinsicht in größeren Dimensionen gedacht.

MannheimEntfernt erinnert Axl Rose optisch mittlerweile an Bill Clinton. Eine gewisse Pausbäckigkeit, ein wenig Waschbär- statt wie einst Waschbrettbauch. Nur in Outfitfragen ist er sich treu geblieben. Selbstredend trägt er lange Haare, das Stirnband als Markenzeichen, bekränzt von diversen Hüten, dazu zerrissene Jeans mit um die Hüften gebundenem Holzfällerhemd.

Altersmilde hingegen zeigen sich der mittlerweile 57-jährige kalifornische Großrockstar und seine Truppe nicht. Drei Stunden und zwanzig Minuten sind am Sonntagabend in Mannheim vergangen, als die allerletzten Töne des Gassenhauers „Paradise City“ verklingen und ein Auftritt endet, der im regulären Set 27 Stücke und in der Zugabe weitere vier Songtitel zu bieten hatte. Auch erfahrene Konzertbesucher müssen lange zurückdenken (mal von Bruce Springsteens Auftritten abgesehen), um sich derartig ausufernde Mammutshows ins Gedächtnis zu rufen.

Ein Vierteljahrhundert später

Aber sie waren ja auch länger nicht mehr hier. 25 Jahre, um genau zu sein. 1992 wurde Guns N’ Roses die Ehre zuteil, das erste Konzert überhaupt auf dem Cannstatter Wasen zu spielen, ein Jahr später kamen sie noch mal ins Karlsruher Wildparkstadion. Dann gab es eine sehr, sehr lange Pause, die der Popularität aber offenbar keinen Abbruch getan hat. 50 000 Menschen sind auf das Maimarktgelände gekommen, ein gut mitgereiftes Publikum, in dem viele Langhaarfrisuren, trotz eines bewölkten Abends unzählige Sonnenbrillen und eine schier unglaubliche Zahl von Guns N’ Roses-T-Shirts zur Schau getragen werden: gründlich ausgewaschene ebenso wie nagelneue.

„In diesem Leben nicht mehr“, sagte der Sänger Axl Rose bald nach dem Zerwürfnis mit dem Gitarristen Slash in den Neunzigern auf die Frage, ob sie je noch einmal gemeinsam auf Tournee gehen werden. So kann man sich täuschen, pfiffigerweise heißt das Motto der aktuellen Tournee „Not in this Lifetime“. Weit über hundert Konzerte sind für einen Zeitraum von drei Jahren geplant, rund um den Globus.

Das Areal ist weitläufig, die Bühne entsprechend riesig, auf sie kommt die Band pünktlich um halb acht gestürmt und eröffnet mit „It’s so easy“ und „Mr. Brownstone“. Darauf folgen zwei Stücke, die für besondere Wegmarken stehen. „Chinese Democracy“, die Single des letzten, vor zehn Jahren erschienenen Albums. Und „Welcome to the Jungle“, die Hitsingle des ersten Albums „Appetite for Destruction“, mit dem es der Band 1987 gelang, das mit über dreißig Millionen Exemplaren bis heute bestverkaufte Debütalbum der Popgeschichte vorzulegen. Die weiteren Welterfolge sind sorgsam über das Set verstreut. Das Wings-Cover „Live and let die“ und „You could be mine“ in der ersten Hälfte, „Sweet Child O’ mine“ und „November Rain“ in der zweiten.

Stimme und Riffs sitzen

Zu „November Rain“ sitzt Axl Rose allein am Konzertflügel, in diesem ruhigen Moment hört man ein wenig, dass er mit seiner Stimme Tribut zahlen muss für mehr als dreißig teils sehr exzessive Jahre im Rockzirkus. Ansonsten verblüfft jedoch, wie gut er noch singt, er trifft die Töne und hat sich auch einen entsprechenden Umfang bewahrt. Als wäre alles erst gestern geschehen, musiziert Leadgitarrist Slash. Bei ihm sitzt alles, er gönnt sich viele kleinere Soli, zwischendurch auch eine üppige Solo-Einlage. Er bleibt zweifelsohne ein vorzüglicher Rockgitarrist. Lediglich bei der Coverversion von „Wish you were here“ offenbart sich, wer doch der bessere Saitenartist ist: David Gilmour von Pink Floyd.

Überhaupt sind viele Coverversionen im Angebot. Erwartbar Dylans „Knockin’ on Heaven’s Door“, das auch für Guns N’ Roses zu einem hübschen Erfolg wurde, aber auch „New Rose“ von The Damned und „Black old Sun“ von Soundgarden; ein tolles Lied, keine Frage, und doch verstärken diese Einlagen den Eindruck, dass sich die Zeit ganz schön dehnt. Über drei Stunden Show: Das soll suggerieren, dass Value for Money geboten wird und hier ehrlich und ausufernd abgerockt wird – umgekehrt haben etliche Konzertbesucher, denen alles zu viel wurde, das komplett unbestuhlte Areal auch vorzeitig verlassen.

Als dritter alter Kämpe ist der Bassist Duff McKagan wieder in die Band zurückgekehrt, die von den ebenfalls alten Weggefährten Richard Fortus und Dizzy Reed sowie der zweiten Keyboarderin Melissa Reese komplettiert wird. Die sechsköpfige Besetzung schafft entsprechenden Druck. Der Sound ist auch in Ordnung, so wie das ganze Konzert, das natürlich nicht von Innovation, sondern in erster Linie von Wiedersehensfreude lebt.

Bleibt nicht nur bei diesem Konzert die Frage, ob eine Band zu erleben ist, der ihre Wiedervereinigung ein Herzenswunsch war – oder ob hier eine Truppe Multimillionäre um die Welt zieht, um angesichts von Ticketpreisen um die hundert Euro noch einmal richtig groß Kasse zu machen.

Dicke Freunde werden die beiden Hauptprotagonisten Axl Rose und Slash, die einst in gewaltigem Zwist auseinander gegangen sind, in ihrer Lebensspanne gewiss nicht mehr, nur wenig Interaktion zeigen sie auch auf der Mannheimer Bühne. Und deutlich mehr Ansprache an das Publikum hätte man sich von der musikmächtigen aber wortkargen Band gewiss auch gewünscht – das erste Mal meldeten sie sich überhaupt erst nach einer halben Stunde knapp zu Wort.

Der wirklich enorme Publikumszuspruch auf der ganzen Tournee zeigt jedoch, dass hier eben vor allem etwas ganz anderes wichtig ist. Nostalgisch selige Erinnerungen an, auch wenn’s abgedroschen klingt: die guten alten Zeiten.