Sorgfältig zupft Cornelia Däumling das Königskostüm von Daniel Großkämper zurecht. Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

An großen Theatern in Deutschland hat Cornelia Däumling gearbeitet. Jetzt ist die Garderobiere an der Württembergischen Landesbühne glücklich, weil sie das gute Miteinander im Team schätzt. Zuvor war sie als Kostümassistentin und als Assistentin des einstigen Dresdner Ballettdirektors Vladimir Derivianko tätig.

EsslingenDer Dernière von „Elvis, Comeback“ am 4. Januar 2020 fiebert Cornelia Däumling entgegen. „Die Produktion ist eine Herausforderung, was das Ankleiden angeht.“ Blitzschnelle Kostümwechsel und eng getaktete Abläufe sind für die Garderobiere kein Problem. Bevor sie an die Württembergische Landesbühne nach Esslingen kam, hat die gelernte Schneiderin an großen Häusern in Deutschland gearbeitet – und das in unterschiedlichen Bereichen und Positionen. Obwohl sie mit 67 Jahren eigentlich längst in Rente wäre, will sie die Arbeit am Theater nicht missen.

Gerade die Tätigkeit als Ankleiderin macht der aufgeschlossenen Stuttgarterin Freude. Als gelernte Schneiderin sieht sie sofort, falls mal ein Kostüm gerissen sein sollte. Mit ihrer einfühlsamen Art ist Däumling gerade für die jungen Kolleginnen und Kollegen am Landestheater eine wichtige Ansprechpartnerin. „Auf den langen Busfahrten zu den Abstechern kommen wir ins Gespräch, da lernt man sich kennen“, sagt Däumling lachend. Das findet sie an einer Abstecherbühne so besonders reizvoll.

Derzeit ist Däumling auch beim Kinderstück „Urmel aus dem Eis“ der Jungen WLB von Max Kruse im Einsatz. Beim Wechsel der aufwendigen Kostüme stehen auch mal mehrere Ankleiderinnen hinter der Bühne bereit, um den Spielerinnen und Spielern in die Gewänder der Fantasiegestalten zu helfen.

Alles muss perfekt sitzen

Daniel Großkämper etwa spielt nicht nur den See-Elefant, sondern auch den König und andere Rollen. Da ist der Wechsel aus dem fantasievollen Tierkostüm von Esther Bätschmann in die royale Robe nicht ganz einfach. Liebevoll zupft ihm die elegante Garderobiere, die selbst großen Wert auf klassisch-elegante Kleidung legt, den königlichen Spitzenkragen zurecht. Die erfahrene Theaterschneiderin hat einen untrüglichen Blick dafür, dass alles sitzt. „Die Spielerinnen und Spieler müssen sich darauf verlassen können, dass wir alles im Blick haben“, ist Cornelia Däumling überzeugt. Und Tempo ist gefragt. „Da kommt es auf Sekunden an.“ In der turbulenten Inszenierung von James Lyons ist das besonders wichtig. Sie möchte dem Ensemble „einfach Sicherheit geben“. Die Ruhe, die sie ausstrahlt, tut gerade den jungen Künstlerinnen und Künstlern gut.

In ihrer langen Berufslaufbahn am Theater hat Cornelia Däumling viel erlebt. Dabei wechselte sie nicht nur die Häuser, sondern auch die Sparten. In ihrer Zeit als Schneiderin am Staatstheater Stuttgart hat sie die 2017 verstorbene Bühnenbildnerin, Malerin und Lichtkünstlerin Rosalie kennengelernt. Die beiden Frauen verband nicht nur eine lange, tiefe Arbeitsfreundschaft. „Wir haben auch gerne zusammen gekocht“, erinnert sich Däumling an den intensiven Austausch mit der bekannten Künstlerin. Mit ihr hat Däumling 1994/95 unter anderem an den Ausstattungen für den „Ring des Nibelungen“ von Opernregisseur Alfred Kirchner bei den Bayreuther Festspielen gearbeitet. Die schönen, poetischen Theaterbilder mit dem Drachen aus grünen Regenschirmen sind bis heute in der Theatergeschichte präsent. Stolz zeigt Cornelia Däumling eine Postkarte des Werks, das sie nach den Entwürfen Rosalies umgesetzt hat. „Da haben wir manchmal auch Unmögliches möglich gemacht“, sagt sie lächelnd. Ein Nein war von ihr nie zu hören, wenn die innovative Künstlerin eine Idee hatte. Mit unterschiedlichsten Materialien und Objekten zu experimentieren, das macht Cornelia Däumling Freude.

Auf dem grünen Hügel in Bayreuth hat die Schneiderin und Textilkünstlerin viele bekannte Künstler aus aller Welt getroffen. Da sie mit ihrem Partner, einem Balletttänzer, seit jeher zuhause Englisch sprach, fiel ihr die Kommunikation in der fremden Sprache leicht. „Gerade die Weltstars hatten meist gar keine Allüren“, hat sie beobachtet. Da räumt sie mit Vorurteilen auf. Zickig seien meist andere gewesen, die es nicht so weit gebracht hatten. Da Däumling bestens in der Ballettszene vernetzt war, kam schließlich das Angebot des Dresdner Ballettdirektors Vladimir Derivianko, als seine Assistentin an die Semperoper zu kommen.

„Eine ganz neue Herausforderung“, schwärmt die leidenschaftliche Theaterfrau. Die elegante Stuttgarterin mit dem hochgesteckten Haar liebt es, mit den unterschiedlichsten Menschen ins Gespräch zu kommen. Kommunikation ist ihre große Stärke. Ein wichtiger Teil ihrer Arbeit war damals der Kontakt mit Politikern wie auch mit Künstlern aus aller Welt, die mit dem renommierten Ballettensemble in der sächsischen Hauptstadt arbeiteten. Sie sorgte dafür, dass sich die Künstlerinnen und Künstler wohlfühlten, holte sie vom Flughafen ab, führte sie durchs Theater und kümmerte sich ums Rahmenprogramm. Mit ihrem Chef Derivianko war sie viel auf Gastspielreisen in aller Welt. Und sie führte Politiker durchs Theater, blickte mit ihnen in den Ballettsaal und hinter die Kulissen.

Weiter Horizont

Wie schwer es auch Choreografen und Tänzer in anderen Ländern haben, erfuhr sie durch die Begegnung mit Vladimir Vasiliev, der das weltberühmte Bolschoi-Ballett in Moskau von 1995 bis zum Jahr 2000 leitete. Jahrzehntelang war er der Star der Compagnie, machte besonders durch seinen Part als Spartacus von sich reden. Mit ihm kam Däumling ins Gespräch, obwohl er nur Russisch sprach und sie über die Übersetzerin auf Englisch kommunizieren mussten. „Nach einem Vier-Augen-Gespräch hat der russische Präsident Putin ihn abgesetzt.“ Solche Repressalien gegen Künstler haben Cornelia Däumling erschüttert.

Nach ihrer Zeit in Dresden kam die Stuttgarterin zunächst zurück ins Schwäbische, dann folgte sie Dieter Wedel zu den Nibelungenfestspielen nach Worms. „Ein unglaublich guter Regisseur“, ist sie überzeugt. Ab 2008 war sie vier Jahre lang bei den Bregenzer Festspielen tätig. Da übernahm sie im zweiten Jahr die leitende Kostümassistenz bei Giuseppe Verdis „Aida“. In dieser Spielzeit habe es fast nur geregnet, da seien die Bedingungen erheblich erschwert gewesen. Dennoch hat die Arbeit auf der Bühne im See die Künstlerin fasziniert. Eindrucksvoll fand sie die Sicherheitstaucher, die bei jeder Aufführung im See sind, um schnell eingreifen zu können, falls jemand ins Wasser fällt: „Die schlurften mit ihren nassen Taucheranzügen durch die Gänge.“

Später arbeitete Däumling auf freier Basis im Festspielhaus Baden-Baden, bei den Burgfestspielen Jagsthausen und mit Hansgünther Heyme bei den Winterfestspielen in Ludwigshafen. Mit dem Vordenker des deutschen Regietheaters habe es „menschlich gut gepasst“, schwärmt Däumling. Dass die Chemie im künstlerischen Team stimmt, ist ihr wichtig. Deshalb sei sie jetzt so glücklich an der WLB.

Die Dernière von „Elvis, Comeback“ in der Inszenierung von James Lyons ist am Samstag, 4. Januar, 19.30 Uhr im Schauspielhaus der Württembergischen Landesbühne Esslingen in der Strohstraße 1.