Was will das Institut für Auslandsbeziehungen mit seinen Ausstellungen bewirken? Sicher keine Werte diktieren, meint die neue Kunst-Chefin Ellen Strittmatter.

StuttgartDer erste Eindruck: hier geht es unkonventionell zu. Wer Ellen Strittmatter im Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) besuchen will, wird nicht von einer Sekretärin empfangen, sondern von ihrem Assistenten. Er kümmert sich um die Termine seiner Chefin. Und er ist es auch, der den Tee serviert. Im vergangenen Jahr hat Ellen Strittmatter die Abteilung Kunst des ifa übernommen – und der sympathische Rollentausch lässt hoffen, dass diese leise, neue Chefin frischen Wind bringen könnte.

Strittmatter, 1976 in Freiburg geboren, hat zwar auch an der Stuttgarter Akademie Kunsterziehung studiert, aber an sich ist sie eine Quereinsteigerin. Die Germanistin leitete zuletzt in Vertretung das Deutsche Literaturarchiv Marbach. Vor fünf Monaten hat Strittmatter nun ihr Büro am Stuttgarter Charlottenplatz bezogen – und ist immer noch dabei, sich in die komplexe Struktur und das Wesen des ifa einzuarbeiten. Einerseits habe die Institution „historische Tiefe“, sagt sie, andererseits müsse man „in die Zukunft denken“.

Kein Deutschland-Bilderexport

Das Institut ist im Auftrag des Auswärtigen Amts im Einsatz – und hat bisher in Stuttgart und Berlin Kunst aus dem Ausland gezeigt und im Ausland Kunst aus Deutschland. Doch die klassischen Tourneeausstellungen sind nicht mehr unumstritten. In den Nachkriegsjahrzehnten diente die auswärtige Kulturpolitik vor allem dazu, die deutschen Sprache zu fördern und das Image des neuen, demokratischen Deutschlands zu verbreiten. Und heute? Was sollen Ausstellungen zu Wolfgang Tillmans oder Sigmar Polke in Afrika oder Südamerika bewirken? „Es geht nicht mehr darum, ein bestimmtes Deutschland-Bild zu kreieren“, sagt Strittmatter. Wichtiger sei es, Dialoge zu initiieren.

Die Kulturwissenschaftlerin Sigrid Weigel sieht die aktuellen Tätigkeiten des Bundes im Ausland dennoch skeptisch. In einer neuen Studie zur auswärtigen Kulturpolitik, die das ifa in Auftrag gegeben hat, schreibt sie, heute seien mit „deutsch“ zwar weniger einzelne deutsche Künstler gemeint, aber doch bestimmte Werte – dass man für Menschenrechte und Demokratie eintritt, für Nachhaltigkeit und offene Gesellschaften. Werte, die hierzulande aber keineswegs eingehalten würden, meint Weigel und verweist auf die Flüchtlingspolitik und die Umweltzerstörung, die mit der Wirtschaftspolitik einhergeht.

Auswärtige Kuratoren

Für Ellen Strittmatter ist klar, dass „demokratische Werte, eine offene Gesellschaft und Diversität die Basis unserer Arbeit“ ist. Diese dürften aber eben nicht als deutsche Position der Welt erklärt werden, sondern sollten in die Gespräche einfließen. Deshalb ist Strittmatter dabei, die Ausstellungen des ifa ganz neu zu konzipieren. Sie sollen nicht mehr in Stuttgart entwickelt und dann in die Welt geschickt, sondern von Anfang an mit Künstlern und Kuratoren anderer Länder entwickelt werden. Das erste Projekt ihrer Amtszeit wird entsprechend von einer Kuratorin aus Novistad und einer Kollegin aus Stuttgart erarbeitet. Es geht um Europa – aus der Perspektive Südosteuropas.

Auch wenn Ausstellungen wie zum Beispiel zu Otto Dix im Ausland beliebt sind und oft angefragt werden, wird diese neue Ausrichtung bedeuten, dass künftig weniger eigene Bestände in die Welt reisen. Das ifa besitzt mehr als 23 000 Kunstwerke. Das meiste wurde für die Tourneeausstellungen angekauft, dazu kam 1990 die Sammlung des Zentrums für Kunstausstellungen der DDR. Strittmatter würde die Bestände gern auch anderen Häusern für Ausstellungen zur Verfügung stellen und auch die Geschichte des Bestandes und der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik aufarbeiten. „Ich glaube, in unserem Kunstarchiv steckt ein großes Potenzial“, sagt sie, „wir tragen eine Verantwortung für dieses kulturelle Erbe.“

Viel zu tun – und man darf gespannt sein, wie Ellen Strittmatter ihren Weg machen wird im ifa, das übrigens auch für den Deutschen Pavillon bei der Biennale in Venedig zuständig ist. Auch hier stellt sich die Frage, ob das Modell der Nationenpavillons noch zeitgemäß ist. Nein, sagt Strittmatter spontan, um es dann doch diplomatisch zu relativieren. Die Nationenpavillons seien eine Herausforderung – „und die Kunstwerke sprengen diesen Raum bewusst immer wieder“.