Von Verena Großkreutz

Ludwigsburg - Die Flüchtlingsströme der letzten Jahre hatten Mazedonien, die ehemalige jugoslawische Republik, als Teil der Balkanrouten in den Fokus der Medien gebracht. Und seit nationalistische Schläger im April das Parlament in Skopje stürmten, steht es wieder in den Schlagzeilen. Bei den Ludwigsburger Festspielen im gut besuchten Ordenssaal des Ludwigsburger Schlosses scheinen diese bedenklichen Entwicklungen weit, weit weg. Es sind ja auch international agierende Musiker, die sich auf der kleinen Bühne versammelt haben. Es geht um den großen Reichtum an Liedern und Tänzen, die das kleine Land auf der Balkanhalbinsel hervorgebracht hat. Das Programm „Makedonija“ ist eine Idee des mazedonischen Pianisten Simon Trpcˇeski. Sonst ziert sein Konterfei Klassik-CDs mit Aufnahmen von Chopin, Rachmaninow, Brahms und anderen Romantikern. Dass die „Weltpremiere“ von „Makedonija“ bei den Ludwigsburger Festspielen stattfindet, hängt wohl mit der Crossover-Leidenschaft ihres Intendanten Wördehoff zusammen.

Exzellente Musiker

Trpcˇeski sitzt auch an diesem Abend am Flügel. Mit dabei vier weitere exzellente, größtenteils mazedonische Musiker. In Zusammenarbeit mit Trpcˇeski hat der Komponist Pande Shahov sechs suitenartige Werke aus Liedern und Tänzen seiner Heimat zusammengestellt, für gemischtes Quintett arrangiert und die Volksmusik teils pur oder modern, teils klassisch oder jazzig bearbeitet. Er hat die Suiten „Pletenki“ genannt, was so viel heißt wie „Zöpfe“.

Die sechs „Zöpfe“ bieten Balkanblues vom Feinsten: Schöne, melancholische wie lebensfreudige Melodien, die auch mal in schräge, lärmende Entwicklungen münden, vielstimmig arrangiert. „Zöpfe“ scheint inhaltlich gemeint zu sein: weil sich die Stimmen von Klarinette, Geige, Cello und Klavier ineinander verschlingen, in Steigerungswellen kulminieren, sich in kraftstrotzenden Unisonoläufen zusammenfinden, um dann pointiert zu Ende gebracht zu werden. Manchmal beruhigt sich das Geschehen, und über Klangflächen darf improvisiert werden: Sanft und fahl schluchzt dann die Geige, sehnsuchtsvoll seufzt die Hirtenflöte.

Das Mitreißendste an dieser Musik ist ihr Rhythmus, dem hierzulande exotisch wirkende 9/8- bis 22/8-Takte zugrundeliegen. Man kennt das auch aus dem Nachbarland Bulgarien, diese leichte, weiche Rhythmik und ihren schier endlosen Flow. Trpcˇeski umsprudelt das Ganze mit allerlei virtuosen Girlanden. Und das Publikum lässt sich immer mehr anstecken von dieser Spiellust, der Jubel wird größer von „Zopf“ zu „Zopf“. Freilich könnte der Sound etwas farbiger sein. Die Violine des Virtuosen Aleksandar Krapovski und das Cello des Bulgaren Alexander Somov gehen oft unter im Sound, der von Trpcˇeski und dem Klarinettisten und Saxophonisten Hidan Mamudov dominiert wird. Viele Farben steuert aber Perkussionist Vlatko Nushev bei, ob auf seinen diversen Trommeln, seinem Vibraphon oder seinen Glöckchenketten. Ob der Zopf, den er aus Barthaaren geflochten zu haben scheint, wirklich echt ist?