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Die größte Volks-Rock’n’Roll-Show: Mit Urgewalt brennt Andreas Gabalier in der Schleyer-Halle ein Doppel-Feuerwerk ab. EZ-Autor Ingo Weiß hält ihn für den Bergdoktor der Volksmusik.

StuttgartWer den Blick durchs weite Rund der größten Stuttgarter Arena schweifen lässt, könnte meinen, der Cannstatter Wasen nebenan hätte eine zweite Dependance eröffnet: Dirndl, Lederhosen und Karohemden, soweit das Auge reicht. Mit 13 000 Fans ist die Schleyer-Halle restlos ausverkauft. Alle warten sie auf die Audienz des selbsternannten Volks-Rock’n’Rollers Andreas Gabalier – der zum Kaiser eines frechen Subgenres gekürte Österreicher.

Auch der 33-jährige sonnenbebrillte Grazer trägt eine Krachlederne über den rasierten Beinen sowie eine dunkelblaue, ärmellose Weste: ein Mannsbild von Kernigkeit. Das schwarze Haar hat er, in Verneigung vor King Elvis, zum Entenschwanz pomadisiert. Gabalier ist das fleischgewordene Sexsymbol der Volksmusik.

Rock’n’Roll statt Musikantenstadl

In zweieinhalb Stunden zeigt der ehemalige Jurastudent: Musikantenstadel-Niveau ist seine Art von Volksmusik live nimmer mehr. Mittlerweile ist die Setliste überwiegend mit hart-melodischem Rock bestückt, vermengt mit volkstümlichen Pop-Rhythmen. „I sing a Liad für di“, seinen ersten großen Hit, zelebriert Gabalier an zweiter Stelle in einer Stadionrock-Version, bei der er Elvis’ Hüftschwung imitiert und es sichtbar genießt, auf dem weit in das Publikum hinausragenden Laufsteg auf und ab zu stolzieren.

Pünktlich um 20 Uhr steigt der Steirische Strahlemann die Bühne hinauf. Acht Videoleinwände, auf der er später nicht nur die fantastische Bergwelt der Alpen in die Halle zaubert, ein von Pink Floyd inspirierter Rund-Screen hinter dem Schlagzeug sowie ein Laufsteg – es ist Gabaliers bislang aufwendigste Show. Im Handumdrehen verwandelt er mit seiner siebenköpfigen, hervorragenden Band und zwei Background-Petticoats die Arena in einen brodelnden Hexenkessel. Mit jeder Menge mitreißender und tanzbarer Hits wie „Sie“, „Bergbauernbuam“, „Kaiserjodler“ und natürlich seinem neuen Blockbuster „Hallihallo“ hält er Partystimmung und Mitsing-Garantie locker auf dem Siedepunkt. Es ist ein Doppel-Feuerwerk, das Gabalier abbrennt. Eines mit pyrotechnischen Einlagen, Knalleffekten und rot-weißen Luftschlangen. Und das andere mit seiner größten Volks-Rock’n’Roll-Show samt knorrig-hölzernem Mikro-Ständer mit Gams-Krucke und rot-weiß karierten Tüchern an den Oberarmen.

Einfach, aber auch nachdenklich

Gabaliers Paraderolle ist die der charmanten Rampensau, die den Schmalz triefen lässt. Seine Hybride aus Heimatliebe und Hüftschwung, seine Mischung aus Wasen-Mucke wie „Zuckerpuppen“ oder „Verliebt Verliebt“ und sinnentleerten Après-Ski-Grölern wie „Hulapalu“ versetzen die Fans in kollektiven Freudentaumel. Bei aller Schunkelei vergessen aber viele: Gabalier beherrscht nicht nur das Gitarrenspiel und die steirische Harmonika, sondern ist überdies gesegnet mit einer tollen Stimme, seine Klangfarbe ist ein Genuss für die Ohren.

Natürlich gibt es auch ruhige Momente. Die Stücke „Hinterm Horizont“, „A Meinung ham“ und „Wo auch immer Du bist“ sind akustisch arrangiert, nur mit Westerngitarre und Cellobegleitung durch Nayon Han. Sie setzt neben dem formidablen Gitarristen Alen Brentini aus Kroatien besondere Akzente. Den spannungsreichen Wechsel zwischen Laut und Leise, zwischen einfach gestrickte, Volks-Pop-Rock und nachdenklichen Balladen mit Tiefgang behält Gabalier bis zum Ende bei. Er ist der Bergdoktor der Volksmusik, der konzertant in perfekter Orchestrierung auf das Seelenheil seines Publikums bedacht ist.